Dienstag, 5. April 2016

Roadtrip II - Palm Springs, Grand Canyon und Las Vegas

Nach vielen Stunden Fahrt durch trockene Einöde erreichten Jasmijn und ich gegen Nachmittag einen grünen Fleck inmitten der Wüste - das kleine Städchen Palm Springs. Wir fuhren in das nächstbeste Motel und nahmen uns dort ein Zimmer - ich wartete im Auto, während Jasmijn sich um die Formalitäten kümmerte. Trocken erklärte sie, als sie wieder im Auto saß, wir hätten ein Upgrade auf die Kings Suite bekommen. Daraufhin blickten wir uns ungläubig an und prusteten los. Eine riesige Suite mit zwei Doppelbetten und riesigem Wohnzimmer erwartete uns und wir glaubten langsam nicht mehr an einen Zufall bei unserem Glück. Wir schnappten uns einen Pullover und fuhren dann zu unserem nächsten Ziel: der Aerial Tramway. Auf der Höhe von etwa 2600 m stiegen wir aus und staunten nicht schlecht - wir befanden uns mitten in einem Schneewald. Die nächsten Stunden genossen wir es, durch den Schnee zu wandern und auf unserer Route - wie es der Name Desert View Trail versprach - immer wieder wunderschöne Aussichtspunkte hinunter auf die Wüste zu erreichen. Es war ein verrücktes Gefühl, am vergangenen Tag noch im Bikini am Strand gelegen zu haben und nun im Schnee zu wandern. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kehrten wir zum Ausgangspunkt zurück, nahmen die Seilbahn in Richtung Tal, kauften ein paar Kleinigkeiten im nächsten Supermarkt, machten ein kleines Hotelpicknick und gingen früh schlafen, noch erschöpft von den letzten Tagen und im Wissen, am nächsten Morgen noch bei Dunkelheit aufzubrechen.

Wie geplant befanden wir uns bei Morgengrauen bereits seit einigen Stunden auf der Straße. Da Jasmijn vielmehr als ich ein Morgenmensch war, hatte sie sich bereit erklärt zu fahren und so konnte ich noch ein wenig im Beifahrersitz schlummern. Auf einmal weckte mich Jasmijn und rief mit panischer Stimme, dass die Polizei hinter uns sei. Das Polizeiauto hinter uns hatte bereits das Blaulicht angemacht, schnell fuhren wir an den rechten Straßenrand. Vor lauter Aufregung wussten wir zunächst nicht, wie wir das Fenster öffnen sollten, und der Police Officer wurde zunehmend verärgerter. Durch das mittlerweile geöffnete Fenster informierte er uns, dass wir zu schnell gefahren seien und bat Jasmijn um Abgabe ihres Führerscheins zur Erhebung ihrer Daten. Während er in seinem Wagen hinter uns ihre Papiere prüfte, hofften wir, dass er sich mit Jasmijns vorläufigem Führerschein zufrieden geben würde. Glücklicherweise war dies der Fall, jedoch konnte er uns keine Auskunft darüber geben, in welcher Höhe das Bußgeld sein würde. Der strenge Officer ermahnte uns, nach seiner Rückkehr in sein Auto nicht das Auto zu verlassen und ruhig weiterzufahren. Jasmijn jedoch zitterte vor Aufregung und bat mich, für sie zu fahren. So wechselten wir kurz die Plätze und wurden sogleich dafür gerügt - der Officer ermahnte uns via Lautsprecher, das nächste Mal besser zuzuhören. Aufgelöst und gleichzeitig schon fast erleichtert, nicht erschossen worden zu sein oder im Knast gelandet zu sein (das Gehabe des Officers hätte dies fast vermuten lassen) setzten wir unsere Fahrt fort durch die trockene Landschaft Arizonas. Leider unterschätzten wir die geringe Dichte von Tankstellen in der Gegend und fuhren unseren Tank bis auf die letzten Reservetropfen hinunter - im letzten Moment erreichten wir endlich eine Tankstelle. Nach ein paar weiteren Stunden erreichten wir die letzte Raststätte vor dem Nationalpark Grand Canyon und hatten dort nach unserem unglücklichen Start in den Tag wieder einen stimmungsaufhellenden Moment: ein Paar im Auto neben uns bemerkte, dass wir auf dem Weg zum Grand Canyon waren, da wir in einer Karte unsere weitere Route diskutierten. Sie empfohlen uns für die letzten Tageslichtstunden eine mit dem Auto befahrbare Route mit mehreren Aussichtspunkten und gaben uns obendrein ihr Parkticket für den Nationalpark, das noch ein paar Tage gültig war und von ihnen nicht mehr genutzt werden würde. Nachdem unser favorisiertes Motel geschlossen war, suchten wir uns ein Zimmer in einem Hostel und fuhren dann die uns empfohlene Route ab. Der Blick in den Canyon, der sich uns von den verschiedenen Plätzen bot, war gigantisch. Wir genossen es, der Sonne beim Untergehen hinter den Canyon zuzusehen und traten dann die Rückreise an, nicht ohne aus Versehen auf autofreiem Gelände herumzukurven. Dabei gabelten wir eine junge Frau auf, die uns geradeheraus bat, bei uns duschen zu dürfen. Anne war Niederländerin und lebte seit einigen Monaten in ihrem Auto, da sie eine Weltreise machte. Gerne nahmen wir sie mit und machten uns einen gemütlichen Abend auf dem Zimmer mit unseren Essensresten vom Vorabend.

Am nächsten Morgen standen wir wieder vor dem Morgengrauen auf, packten unsere Rucksäcke für den Tag und fuhren gemeinsam mit Anne in den Nationalpark. Nachdem wir uns eine Karte der verfügbaren Routen sowie Tipps über deren Zugänglichkeit eingeholt hatten, ließen wir von einer Aussichtsplattform den Sonnenaufgang über dem Canyon auf uns wirken. Anschließend fuhren wir zum South Kabib Trail und starteten dort unsere Wanderung. Steil ging es bergab und bereits nach wenigen Minuten bot sich uns ein fantastischer Blick über die Weiten des Canyon. Der Trail war gut befestigt und so kamen wir schnell voran, mit einem ununterbrochenen Blick auf den Canyon aus verschiedenen, stets beeindruckenden Perspektiven. Immer wieder begegneten wir anderen Wanderern, von denen uns eine Gruppe nach unserer Route fragte und davor warnte, zu spät den Aufstieg zu beginnen, da wir zwar mit unserer Einschätzung der Zeit des Sonnenuntergangs richtig lagen, jedoch nicht beachtet hatten, dass die Dunkelheit sich weiter unten im Canyon bereits bis zu einer Stunde vorher ausbreiten würde. So entschieden wir uns ein Stück den Canyon hinabzurennen - ein wahnsinniges Gefühl. Auf einem Plateau sahen wir ihn schließlich, den Colorado River, der einst den Canyon ausgehöhlt hatte. Nach einer Mittagspause auf dem Plateau entschieden wir uns, getrennte Wege zu gehen - Anne, die weitaus risikofreudiger als wir war und im Verlauf unserer Wanderung desöfteren Handstände am Rand der Klippen für Fotos gemacht hatte, wollte es bis zum Fluss schaffen und erst dann den Aufstieg beginnen. Jasmijn und ich, beide gesundheitlich etwas angeschlagen und unsicher, ob wir dies schaffen würden, entschieden uns für den Rückweg. Den gleichen Rückweg zu nehmen erschien uns jedoch langweilig und laut Karte und persönlicher Auskunft der Rezeptionistin vom Morgen gab es über das Plateau hinweg einen kurzen Trail, der uns zu einem anderen Aufstiegstrail führen würde. Nach zehn Minuten hatten wir den unscheinbaren Beginn des Wegs gefunden und anfangs genossen wir die Wanderung durch die kleinen Büsche und Pflanzen, doch nach etwa einer Stunde wurden wir nervös - sollten wir nicht längst den anderen Trail erreicht haben? Hatten wir uns verlaufen, waren wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg? Uns fiel auf, dass wir keinem Menschen mehr begegnet waren seit wir diese Route eingeschlagen hatten. Sollten wir zurücklaufen und bis zum Fluss laufen, wo es Übernachtungsmöglichkeiten gab oder würde die Zeit dafür auch nicht mehr reichen? Wenn wir nun weiterliefen, würden wir in der Dunkelheit wandern müssen? Schreckensszenarien machten sich in unseren Köpfen breit: wir beide einsam im dunklen Canyon, auf Eis ausrutschend und in die Tiefe stürzend oder gezwungen, im bis in den Minusbereich kalt werdenden Canyon ohne Schlafsack schlafend. Ohne uns abzusprechen, redeten wir nicht länger darüber und setzten unseren Weg stumm, verbissen und schnell fort, um uns nicht gegenseitig in Panik zu versetzen. Doch innerlich wurde ich zunehmend panischer und hatte das Gefühl, gar nicht mehr auf einem vorgesehen Weg zu laufen sondern mitten in der einsamen Einöde herumzuirren.  Irgendwann, nach Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, erreichten wir plötzlich den Bright Angel Trail, und bald begegneten uns auch wieder andere Wanderer. Wieder einmal erfülte uns das Gefühl von riesiger Erleichterung. Nun begann der Anstieg, der wie erwartet um einiges anstrengender war als der Weg nach unten und entsprechend länger dauerte. Der zunehmend schnee- und eisbedeckte Weg sowie unsere angeschlagenen Lungen machten uns zu schaffen, zudem machte sich die körperliche Erschöpfung bemerkbar. Immer öfter mussten wir pausieren und schafften es jedoch immer wieder, uns gegenseitig zu motivieren. Entgegenkommende Wanderer fragten wir, wie lange der Eingang entfernt war, und eine Familie sprach uns besonders viel Mut zu. Um 17.15 Uhr war es soweit: wir erreichten den Anfang des Trails, exakt acht Stunden nach Beginn unserer Wanderung. Ein überwältigendes Glücksgefühl überkam uns: wir hatten es geschafft! 23 Kilometer waren wir gewandert und hatten dabei jeweils einen Höhenunterschied von fast einem Kilometer überwunden. Die uns bekannte Familie stand bei uns in der Nähe, beglückwünschte uns zu unserem Erfolg und lud uns ein, mit ihnen ein paar Knabbereien und Bier zu genießen. Gerne nahmen wir das Angebot an und bald hatten wir so auch neue Freunde in Flagstaff. Wir belohnten uns schließlich mit einer heißen Dusche und einem Besuch bei einer nahegelegenen Pizzeria. 

Am nächsten Morgen schliefen wir aus und machten uns dann auf den Weg nach Las Vegas, unsere letzte gemeinsame Etappe. In einem netten Café auf dem Weg frühstückten wir und versuchten erfolglos, hohe Schuhe zu finden, da uns erzählt worden war, dass wir ohne diese kaum in einen Club in Las Vegas gelassen würden. Meine Freundin Olivia kam aus einem Vorort von Las Vegas und konnte zwar selbst nicht da sein, organisierte jedoch, dass wir bei ihrer Familie schlafen konnten. Olivias Eltern lebten in einem prachtvollen Haus inmitten einer Gated Community, ihre Mutter, eine quirlige und liebevolle Frau, empfing uns überaus herzlich. Sie empfiehl uns ein Shopping Center, in dem wir erneut unser Glück versuchten und diesmal auch fündig wurden. Abends bereitete sie uns ein leckeres Abendessen vor und bot uns an, den Whirlpool zu beheizen. Da wir unsere Beine noch vom Vortag spürten, nahmen wir das Angebot gerne an, schlüpften in unsere Bikinis, schnappten uns unser Glas Rotwein und flitzten durch den kalten Garten hinein in den beheizten Whirlpool. "That's the good life, Sarah. We are so lucky." meinte Jasmijn treffend, während wir uns dort entspannten. Wieder energetisiert entschieden wir, uns den Strip mal anzusehen, und Jasmijn erklärte sich bereit, nichts zu trinken und zu fahren. Wir waren beeindruckt von den vielen Casinos, der Leuchtreklame und all den anderen Klischees, die bedient wurden. Von Männern im Anzug wurden uns Flyer für Stripclubs und Limousinenfahrten angeboten, auf ein Angebot, uns in einen Club zu bringen, gingen wir schließlich auch ein, da er mit 20$ inklusive einem Getränk noch recht günstig war. Dreimal wurden wir anderen Begleitpersonen übergeben, die sicherlich alle Provision bekamen, und liefen durch das Bellagio zum hauseigenen Club The Bank. Eine Rolltreppe führte uns nach Ausweiskontrolle schließlich hinein in den Club, der sich auf drei Etagen erstreckte, aber nicht besonders groß war. Wir lernten bald unabhängig voneinander Männer kennen, die einen Junggesellenabschied feierten, und wurden bald eingeladen, mit ihnen zu feiern. So kamen wir in den Genuss, an einem VIP-Tisch mit eigener Bedienung auf Getränke eingeladen zu werden. Entsprechend verlief der Rest der Nacht... 
Jasmijn und ich wollten am Folgetag noch ein paar Casinos besuchen, und staunten über den Fluss und das nachgeahmte Tageslicht in nachgebauten Gassen inmitten des Venetian, über die Statuen und Wasserspiele im Caesar's Palace, die Gärten im La Mirage und die Trostlosigkeit der übernächtigten, verbrauchten Spielertypen an den Tischen der Casinos. Während draußen ein grauer, nieseliger Schleier über der Stadt lag, war in den riesigen Casinos kein Unterschied zwischen Tag und Nacht spürbar. All das war uns fremd und auf eine besondere Art dadurch beeindruckend, aber versetzte uns nicht in euphorisches Staunen, sondern vielmehr angeekeltes Unverständnis. Das mit Gold bemalte Plastik wirkte billig, die Dekorationen und Attraktionen zu groß, fehlplaziert und unauthentisch. Wir verspielten ein paar Dollar und spazierten noch ein wenig herum, doch nach drei Casinos waren wir bereits vollkommen reizüberflutet. Den Gedanken, in eine Show zu gehen, verwarfen wir aufgrund des Preises und den Nachwirkungen der letzten Nacht und entschieden uns, nach einer kurzen Fahrt den Strip entlang, zum Haus zurückzukehren. Dort genossen wir es, gemütlich mit Olivias Eltern zu essen und fernzusehen und dabei abschalten zu können von den Eindrücken dieser verrückten Stadt.

Tags darauf hatten wir keine Lust, uns den Trubel abermals anzutun, zumal uns von Olivias Mum versichert worden war, dass Las Vegas noch mehr bieten könnte als den Strip. So fuhren wir zum Redrock Canyon, zunächst entlang des Scenic drive, der sein Versprechen hielt und uns tolle Aussichten über weite Flächen und hohe, rote Felsblöcke bot. Anschließend wanderten wir zum La Madre Spring, der uns in der Information als sehr schöner Wanderweg empfohlen worden war und eine frische, sprudelnde Quelle als Ziel versprach. Etwas enttäuscht erblickten wir nach unserer langweiligen Wanderung mit Blick auf einen einzigen großen Red Rock das kleine Rinnsal, verschmutzt und klein, das die Quelle sein sollte. Doch nichtsdestotrotz empfanden wir die Wanderung als schön, da wir uns mal wieder gut unterhielten. Zurück bei George fuhren wir noch zum sagenhaften Hoover Dam und waren von dem riesigen Bau beeindruckt. Wir spazierten ein wenig umher und fuhren nach dem Sonnenuntergang zurück zum Haus, nahmen noch ein letztes Abendessen zu uns, ich fuhr Jasmijn zum Flughafen, und dann hieß es Abschied nehmen. Wir hatten uns fest vorgenommen, uns wieder zu treffen und gemeinsam zu verreisen, da wir eine sehr gute Zeit zusammen verbracht hatten und unsere Art zu reisen sehr gut zueinander passte. So war der Abschied traurig, aber auch geprägt von dem Gefühl, das Beste aus unserer Zeit gemacht zu haben.

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