Nach
vielen Stunden Fahrt durch trockene Einöde erreichten Jasmijn und ich
gegen Nachmittag einen grünen Fleck inmitten der Wüste - das kleine
Städchen Palm Springs. Wir fuhren in das nächstbeste Motel und nahmen uns
dort ein Zimmer - ich wartete im Auto, während Jasmijn sich um die
Formalitäten kümmerte. Trocken erklärte sie, als sie wieder im Auto saß, wir hätten ein Upgrade auf die Kings
Suite bekommen. Daraufhin blickten wir uns ungläubig an und prusteten
los. Eine riesige Suite mit zwei Doppelbetten und riesigem Wohnzimmer
erwartete uns und wir glaubten langsam nicht mehr an einen Zufall bei
unserem Glück. Wir schnappten uns einen Pullover und fuhren
dann zu unserem nächsten Ziel: der Aerial Tramway. Auf
der Höhe von etwa 2600 m stiegen wir aus und staunten nicht schlecht - wir
befanden uns mitten in einem Schneewald. Die nächsten Stunden genossen
wir es, durch den Schnee zu wandern und auf unserer Route - wie es der
Name Desert View Trail versprach - immer wieder wunderschöne Aussichtspunkte hinunter auf die Wüste zu erreichen. Es war ein
verrücktes Gefühl, am vergangenen Tag noch im Bikini am Strand gelegen
zu haben und nun im Schnee zu wandern. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit
kehrten wir zum Ausgangspunkt zurück, nahmen die Seilbahn in Richtung
Tal, kauften ein paar Kleinigkeiten im nächsten Supermarkt, machten ein
kleines Hotelpicknick und gingen früh schlafen, noch erschöpft von den
letzten Tagen und im Wissen, am nächsten Morgen noch bei Dunkelheit
aufzubrechen.
Wie
geplant befanden wir uns bei Morgengrauen bereits seit einigen Stunden
auf der Straße. Da Jasmijn vielmehr als ich ein Morgenmensch war, hatte
sie sich bereit erklärt zu fahren und so konnte ich noch ein wenig im
Beifahrersitz schlummern. Auf einmal weckte mich Jasmijn und rief mit
panischer Stimme, dass die Polizei hinter uns sei. Das Polizeiauto
hinter uns hatte bereits das Blaulicht angemacht, schnell fuhren wir an
den rechten Straßenrand. Vor lauter Aufregung wussten wir zunächst
nicht, wie wir das Fenster öffnen sollten, und der Police Officer wurde
zunehmend verärgerter. Durch das mittlerweile geöffnete Fenster
informierte er uns, dass wir zu schnell gefahren seien und bat Jasmijn
um Abgabe ihres Führerscheins zur Erhebung ihrer Daten. Während er in
seinem Wagen hinter uns ihre Papiere prüfte, hofften wir, dass er sich
mit Jasmijns vorläufigem Führerschein zufrieden geben würde.
Glücklicherweise war dies der Fall, jedoch konnte er uns keine Auskunft
darüber geben, in welcher Höhe das Bußgeld sein würde. Der strenge
Officer ermahnte uns, nach seiner Rückkehr in sein Auto nicht das Auto
zu verlassen und ruhig weiterzufahren. Jasmijn jedoch zitterte vor
Aufregung und bat mich, für sie zu fahren. So wechselten wir kurz die
Plätze und wurden sogleich dafür gerügt - der Officer ermahnte uns via
Lautsprecher, das nächste Mal besser zuzuhören. Aufgelöst und
gleichzeitig schon fast erleichtert, nicht erschossen worden zu sein
oder im Knast gelandet zu sein (das Gehabe des Officers hätte dies fast
vermuten lassen) setzten wir unsere Fahrt fort durch die trockene
Landschaft Arizonas. Leider unterschätzten wir die geringe Dichte von
Tankstellen in der Gegend und fuhren unseren Tank bis auf die letzten
Reservetropfen hinunter - im letzten Moment erreichten wir endlich eine
Tankstelle. Nach ein paar weiteren Stunden erreichten wir die letzte
Raststätte vor dem Nationalpark Grand Canyon und hatten dort nach
unserem unglücklichen Start in den Tag wieder einen
stimmungsaufhellenden Moment: ein Paar im Auto neben uns bemerkte, dass
wir auf dem Weg zum Grand Canyon waren, da wir in einer Karte unsere
weitere Route diskutierten. Sie empfohlen uns für die letzten
Tageslichtstunden eine mit dem Auto befahrbare Route mit mehreren
Aussichtspunkten und gaben uns obendrein ihr Parkticket für den
Nationalpark, das noch ein paar Tage gültig war und von ihnen nicht mehr
genutzt werden würde. Nachdem unser favorisiertes Motel geschlossen
war, suchten wir uns ein Zimmer in einem Hostel und fuhren dann die uns
empfohlene Route ab. Der Blick in den Canyon, der sich uns von den
verschiedenen Plätzen bot, war gigantisch. Wir genossen es, der Sonne
beim Untergehen hinter den Canyon zuzusehen und traten dann die
Rückreise an, nicht ohne aus Versehen auf autofreiem Gelände
herumzukurven. Dabei gabelten wir eine junge Frau auf, die uns
geradeheraus bat, bei uns duschen zu dürfen. Anne war Niederländerin und
lebte seit einigen Monaten in ihrem Auto, da sie eine Weltreise machte.
Gerne nahmen wir sie mit und machten uns einen gemütlichen Abend auf
dem Zimmer mit unseren Essensresten vom Vorabend.
Am
nächsten Morgen standen wir wieder vor dem Morgengrauen auf, packten
unsere Rucksäcke für den Tag und fuhren gemeinsam mit Anne in den
Nationalpark. Nachdem wir uns eine Karte der verfügbaren Routen sowie
Tipps über deren Zugänglichkeit eingeholt hatten, ließen wir von einer
Aussichtsplattform den Sonnenaufgang über dem Canyon auf uns wirken.
Anschließend fuhren wir zum South Kabib Trail und starteten dort unsere
Wanderung. Steil ging es bergab und bereits nach wenigen Minuten bot
sich uns ein fantastischer Blick über die Weiten des Canyon. Der Trail
war gut befestigt und so kamen wir schnell voran, mit einem
ununterbrochenen Blick auf den Canyon aus verschiedenen, stets
beeindruckenden Perspektiven. Immer wieder begegneten wir anderen
Wanderern, von denen uns eine Gruppe nach unserer Route fragte und davor
warnte, zu spät den Aufstieg zu beginnen, da wir zwar mit unserer
Einschätzung der Zeit des Sonnenuntergangs richtig lagen, jedoch nicht
beachtet hatten, dass die Dunkelheit sich weiter unten im Canyon bereits
bis zu einer Stunde vorher ausbreiten würde. So entschieden wir uns ein
Stück den Canyon hinabzurennen - ein wahnsinniges Gefühl. Auf einem
Plateau sahen wir ihn schließlich, den Colorado River, der einst den Canyon
ausgehöhlt hatte. Nach einer Mittagspause auf dem Plateau entschieden
wir uns, getrennte Wege zu gehen - Anne, die weitaus risikofreudiger als
wir war und im Verlauf unserer Wanderung desöfteren Handstände am Rand
der Klippen für Fotos gemacht hatte, wollte es bis zum Fluss schaffen
und erst dann den Aufstieg beginnen. Jasmijn und ich, beide
gesundheitlich etwas angeschlagen und unsicher, ob wir dies schaffen
würden, entschieden uns für den Rückweg. Den gleichen Rückweg zu nehmen
erschien uns jedoch langweilig und laut Karte und persönlicher Auskunft der
Rezeptionistin vom Morgen gab es über das Plateau hinweg einen kurzen
Trail, der uns zu einem anderen Aufstiegstrail führen würde. Nach zehn
Minuten hatten wir den unscheinbaren Beginn des Wegs gefunden und
anfangs genossen wir die Wanderung durch die kleinen Büsche und
Pflanzen, doch nach etwa einer Stunde wurden wir nervös - sollten wir
nicht längst den anderen Trail erreicht haben? Hatten wir uns verlaufen,
waren wir überhaupt noch auf dem richtigen Weg? Uns fiel auf, dass wir
keinem Menschen mehr begegnet waren seit wir diese Route eingeschlagen
hatten. Sollten wir zurücklaufen und bis zum Fluss laufen, wo es
Übernachtungsmöglichkeiten gab oder würde die Zeit dafür auch nicht mehr
reichen? Wenn wir nun weiterliefen, würden wir in der Dunkelheit
wandern müssen? Schreckensszenarien machten sich in unseren Köpfen
breit: wir beide einsam im dunklen Canyon, auf Eis ausrutschend und in
die Tiefe stürzend oder gezwungen, im bis in den Minusbereich kalt
werdenden Canyon ohne Schlafsack schlafend. Ohne uns abzusprechen,
redeten wir nicht länger darüber und setzten unseren Weg stumm,
verbissen und schnell fort, um uns nicht gegenseitig in Panik zu versetzen. Doch innerlich wurde ich zunehmend panischer
und hatte das Gefühl, gar nicht mehr auf einem vorgesehen Weg zu laufen
sondern mitten in der einsamen Einöde herumzuirren. Irgendwann, nach
Minuten, die sich wie Stunden anfühlten, erreichten wir plötzlich den
Bright Angel Trail, und bald begegneten uns auch wieder andere Wanderer.
Wieder einmal erfülte uns das Gefühl von riesiger Erleichterung. Nun
begann der Anstieg, der wie erwartet um einiges anstrengender war als
der Weg nach unten und entsprechend länger dauerte. Der zunehmend
schnee- und eisbedeckte Weg sowie unsere angeschlagenen Lungen machten
uns zu schaffen, zudem machte sich die körperliche Erschöpfung
bemerkbar. Immer öfter mussten wir pausieren und schafften es jedoch
immer wieder, uns gegenseitig zu motivieren. Entgegenkommende Wanderer
fragten wir, wie lange der Eingang entfernt war, und eine Familie sprach
uns besonders viel Mut zu. Um 17.15 Uhr war es soweit: wir erreichten
den Anfang des Trails, exakt acht Stunden nach Beginn unserer Wanderung.
Ein überwältigendes Glücksgefühl überkam uns: wir hatten es geschafft!
23 Kilometer waren wir gewandert und hatten dabei jeweils einen
Höhenunterschied von fast einem Kilometer überwunden. Die uns bekannte
Familie stand bei uns in der Nähe, beglückwünschte uns zu unserem Erfolg
und lud uns ein, mit ihnen ein paar Knabbereien und Bier zu genießen.
Gerne nahmen wir das Angebot an und bald hatten wir so auch neue Freunde in
Flagstaff. Wir belohnten uns schließlich mit einer heißen Dusche und
einem Besuch bei einer nahegelegenen Pizzeria.
Am nächsten Morgen schliefen wir aus und machten uns dann auf den Weg nach Las Vegas, unsere letzte gemeinsame Etappe. In einem netten Café auf dem Weg frühstückten wir und versuchten erfolglos, hohe Schuhe zu finden, da uns erzählt worden war, dass wir ohne diese kaum in einen Club in Las Vegas gelassen würden. Meine Freundin Olivia kam aus einem Vorort von Las Vegas und konnte zwar selbst nicht da sein, organisierte jedoch, dass wir bei ihrer Familie schlafen konnten. Olivias Eltern lebten in einem prachtvollen Haus inmitten einer Gated Community, ihre Mutter, eine quirlige und liebevolle Frau, empfing uns überaus herzlich. Sie empfiehl uns ein Shopping Center, in dem wir erneut unser Glück versuchten und diesmal auch fündig wurden. Abends bereitete sie uns ein leckeres Abendessen vor und bot uns an, den Whirlpool zu beheizen. Da wir unsere Beine noch vom Vortag spürten, nahmen wir das Angebot gerne an, schlüpften in unsere Bikinis, schnappten uns unser Glas Rotwein und flitzten durch den kalten Garten hinein in den beheizten Whirlpool. "That's the good life, Sarah. We are so lucky." meinte Jasmijn treffend, während wir uns dort entspannten. Wieder energetisiert entschieden wir, uns den Strip mal anzusehen, und Jasmijn erklärte sich bereit, nichts zu trinken und zu fahren. Wir waren beeindruckt von den vielen Casinos, der Leuchtreklame und all den anderen Klischees, die bedient wurden. Von Männern im Anzug wurden uns Flyer für Stripclubs und Limousinenfahrten angeboten, auf ein Angebot, uns in einen Club zu bringen, gingen wir schließlich auch ein, da er mit 20$ inklusive einem Getränk noch recht günstig war. Dreimal wurden wir anderen Begleitpersonen übergeben, die sicherlich alle Provision bekamen, und liefen durch das Bellagio zum hauseigenen Club The Bank. Eine Rolltreppe führte uns nach Ausweiskontrolle schließlich hinein in den Club, der sich auf drei Etagen erstreckte, aber nicht besonders groß war. Wir lernten bald unabhängig voneinander Männer kennen, die einen Junggesellenabschied feierten, und wurden bald eingeladen, mit ihnen zu feiern. So kamen wir in den Genuss, an einem VIP-Tisch mit eigener Bedienung auf Getränke eingeladen zu werden. Entsprechend verlief der Rest der Nacht...
Jasmijn
und ich wollten am Folgetag noch ein paar Casinos besuchen, und
staunten über den Fluss und das nachgeahmte Tageslicht in nachgebauten
Gassen inmitten des Venetian, über die Statuen und Wasserspiele im
Caesar's Palace, die Gärten im La Mirage und die Trostlosigkeit der
übernächtigten, verbrauchten Spielertypen an den Tischen der Casinos.
Während draußen ein grauer, nieseliger Schleier über der Stadt lag, war
in den riesigen Casinos kein Unterschied zwischen Tag und Nacht spürbar.
All das war uns fremd und auf eine besondere Art dadurch beeindruckend,
aber versetzte uns nicht in euphorisches Staunen, sondern vielmehr
angeekeltes Unverständnis. Das mit Gold bemalte Plastik wirkte billig,
die Dekorationen und Attraktionen zu groß, fehlplaziert und
unauthentisch. Wir verspielten ein paar Dollar und spazierten noch ein
wenig herum, doch nach drei Casinos waren wir bereits vollkommen
reizüberflutet. Den Gedanken, in eine Show zu gehen, verwarfen wir
aufgrund des Preises und den Nachwirkungen der letzten Nacht und
entschieden uns, nach einer kurzen Fahrt den Strip entlang, zum Haus
zurückzukehren. Dort genossen wir es, gemütlich mit Olivias Eltern zu
essen und fernzusehen und dabei abschalten zu können von den Eindrücken
dieser verrückten Stadt.
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darauf hatten wir keine Lust, uns den Trubel abermals anzutun, zumal
uns von Olivias Mum versichert worden war, dass Las Vegas noch mehr
bieten könnte als den Strip. So fuhren wir zum Redrock Canyon, zunächst
entlang des Scenic drive, der sein Versprechen hielt und uns tolle
Aussichten über weite Flächen und hohe, rote Felsblöcke bot.
Anschließend wanderten wir zum La Madre Spring, der uns in der
Information als sehr schöner Wanderweg empfohlen worden war und eine
frische, sprudelnde Quelle als Ziel versprach. Etwas enttäuscht
erblickten wir nach unserer langweiligen Wanderung
mit Blick auf einen einzigen großen Red Rock das kleine Rinnsal, verschmutzt und
klein, das die Quelle sein sollte. Doch nichtsdestotrotz empfanden wir die Wanderung
als schön, da wir uns mal wieder gut unterhielten.
Zurück bei George fuhren wir noch zum sagenhaften Hoover Dam und waren
von dem riesigen Bau beeindruckt. Wir spazierten ein wenig umher und
fuhren nach dem Sonnenuntergang zurück zum Haus, nahmen noch ein letztes
Abendessen zu uns, ich fuhr Jasmijn
zum Flughafen, und dann hieß es Abschied nehmen. Wir hatten uns fest
vorgenommen, uns wieder zu treffen und gemeinsam zu verreisen, da wir eine
sehr gute Zeit zusammen verbracht hatten und unsere Art zu reisen sehr
gut zueinander passte. So war der Abschied traurig, aber auch geprägt
von dem Gefühl, das Beste aus unserer Zeit gemacht zu haben.
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