Montag, 14. März 2016

Roadtrip II - San Diego

Am nächsten Morgen wollten Jasmijn und ich früh aufbrechen, doch leider stand unser Wagen nicht mehr vor der Tür. Wir warteten und warteten, ich rief zwischendurch in der Autovermietung an und erfuhr, dass ich das Auto auch problemlos vor der Zeit abgeben könnte, allerdings nur in Berkeley. Jasmijn und ich wägten unsere Handlungsmöglichkeiten ab und entschieden einhellig, dass es uns lieber war, ein paar Dollar mehr für das Auto zu zahlen, als noch ein paar weitere Tage mit Lucy zu verbringen. Ich könnte dann spontan entscheiden, ob ich noch mit anderen Freunden etwas unternehme würde oder einfach frühzeitig nach Berkeley zurückkehren würde. Endlich kam Lucy mit unserem Mazda angefahren, erklärte, dass sie ihn noch vollgetankt habe und sich erkundigt habe, es sei nicht möglich, die Flugtickets zu stornieren. Wir einigten uns darauf, dass wir sie noch nach Hause bringen würden und so verabschiedeten wir uns von Rebecca und Paul und fuhren, früher als gedacht, wieder nach Diamond Bar. Statt einem Roadtrip hatten wir nun lediglich ein paar Stunden mit Lucy verbracht. Die Verabschiedung war von allseitiger Erleichterung gekennzeichnet, die Situation nun so elegant gelöst zu haben.


Jasmijn und ich navigierten uns nun zum nächsten Ziel: San Diego! Wir ließen unsere Zeit in LA Revue passieren und erinnerten uns lachend an George. So entstand die Idee, unser Auto auf den Namen George zu taufen, und fortan wurde unsere Bindung zu George sowie seine Gefühle Thema unserer Unterhaltungen. Auf dem Weg packten wir die Sonnenbrillen aus, und als wir im von uns angesteuerten Safari Park am Nachmittag ankamen, war es angenehm warm. Der Safari Park war wunderschön, großzügig angelegt, mit weiten Flächen für die verschiedensten Tierarten, unter denen viele mir noch unbekannte waren und die Jasmijn an die Zeit erinnerten, während der sie in Afrika gelebt hatte. Nach der Schließung des Parks setzten wir uns in unser Auto und klapperten unsere Telefonlisten und Facebookfreunde ab, da sich erneut niemand auf unsere couchsurfing Anfragen gemeldet hatte. Langsam wurden wir wieder nervös, da nun langsam die Dunkelheit hereinbrach. In der Facebookgruppe, die ich damals zur Organisation des Roadtrips gegründet hatte, befanden sich noch ein paar Mitglieder, die ursprünglich überlegt hatten, mit uns zu reisen, und von einem davon hatte ich in Erinnerung, dass er auch aus Deutschland war. So fragte ich auch ihn, ob er nach wie vor in San Diego studieren würde und ob er nicht wüsste, wo wir schlafen könnten. Prompt schrieb er mir seine Nummer, und bat uns an, in etwa zwei Stunden vorbeizukommen, wir könnten auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen und gerne bleiben. Erleichterung machte sich bei uns breit, wieder einmal hatten wir riesiges Glück gehabt. Wir fuhren nach Downtown, spazierten ein wenig am Pier entlang und fanden einen netten Italiener in Little Italy, bevor wir uns auf den Weg zu Josh und Samir machten. Die beiden empfangen uns freundlich und mit einem kühlen Bier und schlugen vor, den Abend auf einem nahegelegenen Hügel zu genießen. Wir stimmten gerne zu und bereuten es nicht – dort oben sitzend konnten wir nicht nur die Lichter San Diegos von oben betrachten, sondern sogar bis über die nahegelegene mexikanische Grenze hinweg auf die Lichter Tijuanas blicken. Mit einem Spaziergang über den nächtlichen Strand beendeten wir den Abend.
Jasmijn und ich nutzten den nächsten Tag, um zunächst den Balboa Park zu erkunden. Wir waren beide angetan von den verschiedenen Facetten dieser weitläufigen Grünanlage. Auf 5 km² befanden sich zahlreiche kulturelle Einrichtungen und Museen, von denen wir dem Japanese Friendship Garden, dem Botanical Building und dem San Diego Natural History Museum auch einen Besuch abstatteten, während wir vollkommen entspannt durch die wunderschönen Straßen und Höfe schlenderten. Gegen Nachmittag fuhren wir zum Pacific Beach und genossen es, bereits am 6. Januar bei 24° im Bikini in der Sonne zu liegen und das erste Mal nach so vielen Monaten endlich im Pazifik zu baden. Nachdem wir wieder bei Josh und Samir angekommen waren, nutzten wir die milden Abendstunden, um noch einen kleinen Spaziergang über den Campus der USD zu machen – es war ein tolles Gefühl, dort schon ein paar Ecken zu kennen. Weil wir erneut von allen Seiten die Empfehlung bekommen hatten, aßen wir abermals im Lucha Libre Tacos und Burritos, die immer noch so wahnsinnig gut wie auch zur Big West Conference schmeckten, und fuhren danach ins Gaslamp Viertel. Dort sogen wir die Atmosphäre im Mittelpunkt des Nachtlebens auf und statteten einer eleganten Bar und anschließend einem urigen Pub einen Besuch ab, zu unserer Freude wieder begleitet mit Musik einer Live Band. Mittlerweile hatten wir ein schlechtes Gewissen, da wir unsere Gastgeber bis auf den Nachhauseweg vom Strand bisher versetzt hatten, und so entschieden wir uns trotz Müdigkeiten noch zu dem Club zu fahren, in dem sie gerade feierten. Leider mussten wir auch hier feststellen, dass amerikanische Türsteher keine europäischen Personalausweise mochten – wir wurden an der Tür abgewiesen, da wir keinen Reisepass dabei hatten. Samir gab uns netterweise den Haustürschlüssel, sodass wir schon mal zu ihnen nach Hause fahren konnten. Die Option tat uns beiden nicht schlecht – schließlich standen nun die anstrengenderen Tage unserer Tour an, zudem war ich mittlerweile spürbar erkältet. Stunden später wurden wir von ein paar betrunkenen Heimkehrern geweckt, doch abgesehen davon konnten wir noch ein paar Stunden Schlaf ergattern, bevor es uns früh am nächsten Morgen nun Richtung Nordosten trieb…

Sonntag, 6. März 2016

Roadtrip II - Santa Barbara und Los Angeles mit Umgebung

Jasmijns Chef und Vermieter war so nett, uns morgens zu einer Autovermietung fahren, denn unser fester Plan war es, mit einem Mietauto wieder zurückzufahren. Ein paar halbherzige Rechercheversuche hatten lediglich ergeben, dass Mietautos nicht besonders günstig waren, spätestens nach dem Aufschlag der under-age-fee, die bis 25 galt, und dem Aufschlag für einen zweiten Fahrer. Voller Optimismus betraten wir die Vermietung, schilderten unser Anliegen und gaben an, Studierende an der UC Berkeley zu sein - was ja im weitesten Sinne durchaus stimmte. Die under-age-fee entfiel dadurch, ein paar Rabatte bekamen wir noch oben drauf, inklusive ausreichender Versicherung und der Möglichkeit, das Auto flexibel zurückzugeben. Innerhalb von 10 Minuten verließen wir den Parkplatz in einem weißen Mazda 3 und feierten unseren ersten Erfolg, unser Glück und den gelungenen Auftakt unserer Reise. 

Die nächsten Stunden nutzten wir, um die letzten Packvorbereitungen zu treffen und uns mit Verpflegung einzudecken, und schließlich übergab ich mein ausgeräumtes Zimmer zurück in Yvonnes Hände und verließ schweren Herzens das Haus meiner Gastfamilie. Dann endlich saßen Jasmijn und ich in unserem Auto und fuhren gen Süden. Aufgekratzt sprachen wir darüber, was wir bereits mit unseren Familien gesehen hatten und stellten fest, dass es sich fast überschnitt. Da wir mit meiner Freundin Rebecca ausgemacht hatten, dass wir am folgenden Tag bei ihr eintreffen würden, und davor noch eine weitere Mitreisende aufpicken sollten, die sich auf meinen Facebook-Post hin mit uns in Verbindung gesetzt hatte, entschieden wir uns für einen ersten Stopp in Santa Barbara. Während unserer Gespräche stellten wir fest, wie ähnlich wir uns vielerlei Hinsicht waren, und wie sehr sich unsere Erwartungen und Sorgen bezüglich unseres Roadtrips glichen. Gut traf sich unter anderem unser Spaß an lauter Musik im Auto. Als wir über unsere Einstellungen hinsichtlich Vegetarismus und umweltbewusstem Leben sprachen, und wie sehr es uns ärgerte, wenn man sich für "nicht richtig gelebte" Weltanschauungen rechtfertigen muss, erklärte Jasmijn mir ihre Einstellung in einem Satz, den ich bis heute für sehr treffsicher und intelligent halte: Better inconsistently good than consistently bad.

Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit einer Tanksäule hatten wir auch die amerikanischen Tankstellen begriffen und verbanden den Tankstopp gleich mit einem Fahrerwechsel. Ich war wahnsinnig nervös, mich nach 9 Monaten wieder ans Steuer zu setzen, und die ersten Minuten waren weder für Jasmijn noch mich angenehm. Nach ein paar sinnlosen, fast schon gefährlichen Manövern, Koordinationsschwierigkeiten und harten Bremsvorgängen wurde mein Fahrstil jedoch erträglicher. Über couchsurfing, Facebookgruppen und airbnb machten wir uns auf die Suche nach Übernachtungsmöglichkeiten, blieben jedoch erfolgslos. Etwa eine Stunde vor Ankunft in Santa Barbara wich unser Optimismus der Sorge, am Ende doch keine Bleibe zu finden, doch wir entschieden uns kurzerhand, uns vor Ort nochmal auf die Suche zu machen und ansonsten im Schlafsack im Auto zu schlafen.

Gegen 23 Uhr erreichten wir den Pier von Santa Barbara und genossen die Ruhe und das rauschende Meer, die über uns kreisenden Meeresvögel und den idyllischen Blick in die Bucht. Passanten und Besucher wie Betreiber einer Bar konnten uns jedoch auch keine Unterkunft vermitteln oder gaben uns Tipps, die uns zu teuer erschienen - gleich in der ersten Nacht über 100$ für unsere Unterkunft zu verballern, war uns zuwider. Wir entschlossen, noch einen letzten Versuch zu wagen und die Hostels direkt an der Strandpromenade abzuklappern, da wir hofften, dort noch Last-Minute-Preise abzustauben. Wir betraten das erste Hotel, gingen an die Rezeption und fragten nach verfügbaren Zimmern. Wie erwartet waren bereits alle Zimmer vergeben. Entschlossen versuchten wir es im zweiten Hotel, der Herr an der Rezeption fragte uns, wieviel wir bereit wären zu zahlen, wir antworteten, dass wir gerne so günstig wie möglich davonkommen würden, er meinte, dass er das bereits geahnt hatte. Er fragte uns, wo wir herkämen, ob wir Studenten seien und ob unsere Familien uns nicht vermissen würden. Etwas irritiert von seinen seltsamen Fragen wurden wir langsam etwas ungeduldig und wollten die Situation beenden. Doch ohne ein weiteres Wort zu sagen, verließ der Mann den Tresen und verschwand in einen Nebenraum. Im Flüsterton überlegten Jasmijn und ich, ob wir nicht einfach verschwinden sollten. Doch ehe wir uns entschieden hatten, kam der Herr zurück und rief uns nur schroff zu, wir sollten ihm folgen. Nachdem wir einen Blick gewechselt hatten, folgten wir ihm auf die Straße und um die nächste Straßenecke herum. Unser Puls stieg bereits, doch er öffnete bereits die Haustür eines Hauses- ein weiteres Hotel. Er erklärte uns, dass seine Familie beide Hotels betreiben würden. Ohne Umwege lief er auf die Rezeption zu und verschwand erneut in einem Zimmer. Wir blickten uns um: wir befanden uns in einem schicken Hotel, pompös eingerichtet, ein Swimming Pool vor dem Lobby Bereich. Nur die Stille passte nicht so recht in das Bild eines eleganten Hotels. In einer Vitrine standen unzählige Puppen, die in Verbindung mit der Stille eine gruselige Atmosphäre erzeugten. Plötzlich kam der Mann zurück, beladen mit zwei Wasserflaschen und Joghurtbechern, die er uns unwirsch in die Hand drückte. "Are you hungry? Well, I guess you are. You should eat some yoghurt. It is very good yoghurt. Also, yogurt is very good for your digestion." Vollkommen irritiert über diese seltsame Geste, die seltsame Empfehlung und generell die absurde Situation, blickten Jasmijn und ich uns an und wussten nicht, ob wir lachen oder rennen sollten. Wir entschieden uns zunächst für ein überschwängliches Bedanken und betonten dabei, wie wenig hungrig wir waren und dass er sich keine Umstände machen müsse, wir würden nun gehen und uns auf die Suche nach einer anderen Bleibe machen. Doch er hörte kaum zu, las etwas auf seinem Monitor und bot uns für 120$ ein Hotelzimmer an. Peinlich berührt wiederholten wir, dass uns dies leider zu teuer sei, und erneut verschwand er ohne ein Wort in einem der hinteren Zimmer. Indes schaute ich nach, ob sich bei couchsurfing oder airbnb doch noch etwas für uns ergeben hatte. Leider war dies nicht der Fall. Plötzlich tauchte der Rezeptionist wieder auf und sagte, dass es ihm Leid täte, aber er könne uns leider keinen günstigeren Preis anbieten. Wir bedankten uns erneut für seine Mühen und erklärten ihm, dass das kein Problem sei und wir mit Sicherheit etwas anderes finden würden, womöglich auch noch einen couchsurfer. Er fragte uns, wieviel das kosten würde, und als wir ihm erklärten, dass das Prinzip von couchsurfing auf einer Community beruht und die Schlafmöglichkeiten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, glaubte er uns zunächst nicht. Er schien angestrengt nachzudenken und auf einmal bat er uns, in seinem unwirschen Tonfall, mit ihm zu kommen, er hätte noch eine Idee. Zögerlich folgten wir ihm, zurück auf die Straße und in den Innenhof hinein. Innerlich machten wir uns wiederum bereit, schnell abzuhauen. Der Mann klopfte an eine Tür von einem der Häuser im Innenhof, eine Frau öffnete. Im Hintergrund konnten wir das Wohnzimmer erkennen, das Bein einer Frau, die auf dem Bett saß, wurde gerade von einer weiteren Frau verbunden, auf dem Couchsessel saß ein junger Mann, im Hintergrund brüllte ein Baby. Sofort erzählte der Mann von Jasmijn und mir, dass wir auf der Durchreise seien und bisher keine Schlafmöglichkeit hätten, und ob die Familie uns nicht für eine Nacht aufnehmen könnte. Völlig überrumpelt von dieser Wendung schauten Jasmijn und ich uns an. Die Frau reagierte genervt, der Mann redete auf sie ein, dass wir doch einen Schlafplatz brauchten, doch die Frau blieb widerständig. Aus dem Hintergrund heraus mischten Jasmijn und ich uns ein und wiederholten, dass dies überhaupt kein Problem sei und wir keine Störung verursachen wollten. Wir wollten uns schon umdrehen und gehen, doch der Rezeptionist blieb hartnäckig in der Tür stehen und versuchte, die Frau weiter zu überzeugen. Schließlich schaute sie uns direkt an und fragte, wieviel wir bereit wären, dafür zu zahlen, dass wir im Wohnzimmer auf dem Bett schlafen dürften. Wir erklärten abermals, dass unser Budget schmal sei. Die Frau fing nun an, für ihr Zimmer zu werben, indem sie uns anbot, uns die Nutzung von Badezimmer sowie Handtücher ebenfalls zur Verfügung zu stellen, und all das für nur 100$. Der Mann erzählte nun auch der Frau von couchsurfing und dass wir bei anderen Leuten umsonst übernachten könnten. Nun wurde die Frau wütend und sagte mit erhobenerer Stimme an uns gewandt, dass wir nie im Leben in dieser Nacht in Santa Barbara ein Zimmer für einen geringeren Preis finden würden. Wir waren zwischenzeitlich schon ein paar Schritte zurück gewichen und versuchten immer wieder, die Situation zu erklären und uns für Unannehmlichkeiten zu entschuldigen. Endlich gab auch der Rezeptionist auf und wir verließen die mittlerweile spürbar angespannte Situation. Jasmijn und ich unternahmen, zurück in der Hotellobby, einen letzten Versuch, uns nun von dem Mann zu verabschieden, als dieser nun fragte, was unser maximales Budget sei. Zögerlich nannten wir einen Betrag, der Mann dachte kurz nach, und bat uns dann an, für ebenjenen Betrag ein Zimmer haben zu können. Eindringlich bat er uns, nicht viel Unordnung zu machen und dem Hotelpersonal nichts davon zu erzählen, und gab uns den Schlüssel für unser Zimmer. Nun vollends überrumpelt bedankten wir uns überschwänglich bei dem Rezeptionisten. Wir liefen zu unserem Zimmer, betraten es und konnte, unser Glück noch nicht ganz realisiert, die nächste Überraschung kaum fassen. Wir standen mitten in einem riesigen Zimmer, von dem eine vollständig eingerichtete Küche abging sowie eine Treppe, die nach oben in eine weitere Etage mit einem Zimmer führte. Wir ließen den verrückten letzten Minuten Revue passieren und schwankten zwischen Ausgelassenheit und Unsicherheit, die uns schließlich dazu brachte, alle Fenster und Türen in der Suite auf ihre Geschlossenheit zu überprüfen und die Joghurtbecher einstimmig vorerst nicht zu essen. Die seltsame Atmosphäre und etwas abgehakte Art des Rezeptionisten hatten in uns eine Skepsis gegenüber der Gesamtsituation geweckt und wir waren uns nicht sicher, ob er es wirklich nur gut mit uns gemeint hatte. Um nicht weiter darüber nachzudenken, ob er vielleicht in den Minuten im Hinterraum K.O.-Tropfen in das Wasser gespritzt hatte, entschieden wir uns, uns umzuziehen und dann loszuziehen und das Nachtleben Santa Barbaras kennen zu lernen.

Mit etwas schlechtem Gewissen gegenüber dem Rezeptionisten schlichen wir uns aus dem Hotel und besuchten ein Irish Pub und stoßen auf unser übertrieben großes Glück gleich am ersten Reisetag an. Ein anvisierter Clubbesuch wurde uns leider verwehrt, da Jasmijns und mein Personalausweis von den Türstehern nicht akzeptiert wurden mit der Begründung, nur Reisepässe seien von ihnen valide überprüfbar. Etwas deprimiert, da uns dies anscheinend nun noch häufiger passieren konnte, suchten wir kurzerhand eine weitere Bar auf, in der man glücklicherweise auch tanzen konnte und beendeten so einen ereignisreichen ersten Tag (nicht ohne noch eine gute Tat vollbracht zu haben und unsere Betten im Obergeschoss einem weiteren Reisenden zur Verfügung zu stellen, und uns schließlich maßlos in die Absichten des Rezeptionisten hineinzusteigern und mit Plastikgabeln in den Händen einzuschlafen)...

Jasmijn und ich erwachten unbeschadet und waren erstaunt, wie normal und friedlich das Hotel bei Tageslicht und mit Menschen gefüllt erschien. Gestärkt mit einem leckeren Frühstück packten wir unsere Rucksäcke in unser Auto und schlenderten noch ein bisschen an der Strandpromenade entlang. Gegen Mittag machten wir uns dann auf den Weg in Richtung Süden und stoppten in Diamond Bar, um dort unsere Reisebegleitung abzuholen (übrigens schmeckte der Joghurt einwandfrei und genießbar – wir hatten uns völlig umsonst Sorgen gemacht und den Rezeptionisten zu Unrecht hinterfragt, wir hatten schlicht einen sehr hilfsbereiten Menschen getroffen). Lucy erschien nett und offen, irritiert waren wir nur davon, dass sie das gesamte Auto mit ihrem Reisegepäck vollstopfte. Vorsichtig versuchten wir, ihr zu erklären, wie unpraktisch ein bis in die letzten Ecken beladenes Auto für einen Roadtrip war, doch sie ließ sich nicht beirren und ließ ihre Ausstattung für ein gesamtes weiteres Semester in Berkeley im Auto. So ging es weiter nach Yorba Linda nahe Los Angeles, wo uns Rebeccas Familie mit offenen Armen begrüßte. Das erste Mal setzten wir uns nun zusammen, um uns die Route für die nächsten Tage zu überlegen, Rebeccas Mutter war dabei gerne bereit, uns ein paar Tipps zu geben. Nachdem unsere finalen Reiseziele nun feststanden, schlug Rebecca uns vor, zum Griffith Observatory zu fahren, das ich schon mit meiner Familie hatte ansehen wollen, und neben ein paar spannenden Ausstellungen rund um das Weltall bot sich uns dort oben ein wunderbarer Panoramablick über das nächtliche Los Angeles. Ausklingen ließen wir den Abend in einem italienischen Restaurant in Yorba Linda. Am nächsten Morgen besuchten Jasmijn, Lucy, Rebecca und ihr Bruder Paul das Museum of Contemporary Art in Los Angeles. Während der Autofahrt merkten wir vier immer deutlicher, wie verschieden wir und Lucy uns waren. Schon am Vortag hatten wir ihre überdrehte Art und ihren Versuch, besonders alt zu wirken und so die 2 Jahre Altersunterschied zu kompensieren, als eher anstrengend empfunden. Unseren trockenen Humor verstand sie nicht, während wir durch ihre aus dem Zusammenhang gerissenen Kommentare irritiert waren – beispielsweise fragte sie uns zwischendurch, ob wir uns auch manchmal fragen würden, wie die Welt aussehen würde, wenn wir alle Dinosaurier wären. Zudem isolierte sie sich von Anfang an selbst und bestand auch im MOCA wieder darauf, alleine durch die Ausstellung zu laufen, was uns nicht einfacher machte, sie in unsere Gruppe zu integrieren. Während der Führung, für die wir uns entschieden hatten, fiel immer wieder ein kleiner Junge auf, der alle Fragen der Museumsführerin beantworten wollte und immer als Erster aufzeigte. Bald fragte sie ihn nach seinem Namen und bald entwickelten sich herrliche Dialoge zwischen George und der Museumleiterin, die immer durch ein "Yes, George?" von ihr eingeleitet wurden. Nachdem wir durch die Ausstellungen geschlendert waren, fuhren wir zum Laguna Beach, wo uns Rebecca und Paul ihren Lieblingsstrand, den Table Rock Beach, zeigten. Ein Fels teilte den feinsandigen Strand von einer kleinen Bucht, die Sonne wärmte bereits die Luft und mit in braunen Papiertüten verstecktem Bier genossen wir den Nachmittag und das Gefühl, barfuß im Sand zu laufen. Lucy hatte ihre Geige mitgebracht und verschwand auf einen Felsen einige Meter entfernt von uns, auf dem sie mit Blick auf die Brandung ein paar Lieder spielte und Yogaübungen machte. Auf dem Rückweg zum Auto sagte sie, wieder mal völlig kontextfrei: "Oh my hands are so soft, I really want to give someone a handjob to feel how soft they are." What the actual fuck, das war alles, was uns dazu einfiel. Während der Autofahrt aber übertraf sie alles, als sie auf einmal fluchte und uns erklärte, sie hätte ganz vergessen, dass sie Flugtickets für New York gebucht habe. Für den nächsten Tag. Wir strengten uns an, enttäuscht zu reagieren, doch insgeheim war uns allen klar, dass dies ihre Art zu sein schien, unserem Trip möglichst diplomatisch zu entkommen. Mein größtes Problem bestand allerdings darin, dass ich geplant hatte, nach Jasmijns Abreise noch ein paar weitere Tage mit Lucy zu verbringen und mit ihr zusammen zurück nach Berkeley zu fahren. Sollte Lucy sich nun ausklinken, müsste ich alleine weiterreisen und vor allem unser Auto alleine nach Berkeley zurückbringen. So einigten wir uns vorerst darauf, erstmal alle Möglichkeiten auszuloten.

Nach einem leckeren Essen in Newport Beach entschieden wir uns, noch einem Pub einen Besuch abzustatten. Lucy hatte bisher stets herausposaunt wie sicher sie sich sei, nicht nach ihrem Ausweis gefragt zu werden. Eine Minute saßen wir im Pub und schon wurden wir gebeten, nicht direkt an der Bar zu sitzen und den Pub pünktlich zu verlassen, wenn die Küche schloss, da Lucy keinen Ausweis vorlegen konnte. Rebecca war nun langsam genervt von unserer Reisebegleitung und forderte, sie zu Hause abzusetzen, damit wir anschließend feiern gehen könnten. Jasmijn und ich taten uns etwas schwierig mit der Entscheidung, sie so hart auszugrenzen, doch wir wollten auch gerne mit Paul und Rebecca weiterziehen. Lucy reagierte bockig, verstand aber, dass es keinen Sinn machte, nochmal zu versuchen, in eine Bar zu gelangen, und so setzten wir sie bei Rebecca ab. Fordernd und fast schon zickig bestand sie darauf, die Schlüssel für unser Mietauto zu bekommen, um nach Yorba Linda zurück zu fahren, einen Teil ihres Gepäcks zurückzubringen (zwischenzeitlich hatten wir uns darauf geeinigt, einen Zwischenstopp in Diamond Bar vor unserer Rückreise zu machen und ihre Habseligkeiten dann mitzunehmen) und ihre Freunde zu treffen. Wir baten sie eindringlich, das Auto vorsichtig zu fahren und nicht zu trinken, und schließlich nahm sie die Schlüssel und verschwand. Nahezu erleichtert machten wir vier uns nun auf den Weg nach Fullerton und fanden dort eine gemütliche Bar, in der an diesem Abend Live-Musik gespielt wurde und später am Abend noch ein paar Swing-Rhythmen aufgespielt wurden. Die Flaschen auf unserem Tisch mehrten sich, die Zeit schritt voran und wir verbrachten noch einen schönen und lustigen letzten Abend miteinander.

19. Dezember – 1. Januar: Familienbesuch, Geburtstag, Weihnachten, Roadtrip und auch noch Silvester!


Nicht lange nach meiner Ankunft in Berkeley hatten meine Familie und ich den Besuch in Amerika geplant. Und je näher der Besuch meiner Eltern und meiner Schwester rückten, desto besser fügten sich die Dinge zusammen. Da Faye kurz zuvor eine Wohnung mit Tristan gefunden hatte, konnten und durften meine Eltern in ihr Zimmer während unseres Aufenthalts in der Bay Area. Und die Sorge, Freunde würden ohne mich verreisen und ich wäre im Januar alleine, hatte sich einen Tag vorher glücklicherweise auch erledigt. Nach langen Verzögerungen bei der Einreise war es soweit: ich sah meine Familie wieder! Ich war wahnsinnig glücklich, sie wiederzusehen, und freute mich sehr darauf, ihnen zeigen zu können, wo ich die letzten Monate verbracht hatte. Außerdem freute ich mich riesig, dass Jed und Yvonne meine Familie kennen lernen würden, und umgekehrt.
 
Die ersten Tage in der Bay Area

Nach einem ruhigen, jetlagbedingt kurzen Abend, starteten wir den Samstag in einem gemütlichen Diner in Hafennähe mit einem sehr typisch amerikanischen Frühstück – Eier, Bacon für die Nicht-Vegetarier am Tisch, Toast mit Butter, Hash Browns, French Toast, Pancakes mit Maple Syrup, Muffins. Obwohl Andy am gleichen Tag noch zu seinem Roadtrip aufbrach, schafften wir es noch, dass wir zusammen frühstückten. Gestärkt ging es nun mit der BART auf nach San Francisco, wo ich meinen Eltern die touristischen Sehenswürdigkeiten und bekannte Ecken und Viertel zeigte: die Market St. mit dem riesigen Westfield-Einkaufszentrum, nach einer Café-Pause in einem Blue Bottle Café durch Chinatown nach North Beach, auf den Telegraph Hill hinauf und nach einem Abendessen bei einem Italiener in North Beach durch den Financial District zurück zur BART.
Am Sonntag nutzte ich das Frühstück erneut, um meiner Familie einen liebgewonnen Menschen vorzustellen, und so frühstückten wir in dem französischen Café La Note mit Angel zusammen. Wir brachten sie noch zur Arbeit zur Lawrence Hall of Science, wo sich uns ein dramatischer Blick auf die Bay bot: dunkelgraue Regenwolken, Nebel, und hier und da ein Blick auf Berkeley, die Bay oder San Francisco. Nachdem ich meiner Familie einen Eindruck vom Campus vermittelt hatte und wir vom Campanile die mittlerweile klare Panoramasicht auf San Francisco bewundern konnten, ging es ab nach Hause wegen einer Weihnachtsüberraschung: Familie Donnelley und wir gingen zusammen in das Paramount Theatre in Oakland, meiner Mama und Lilli hatte ich zu Weihnachten im Voraus zwei Karten für das Ballett „Der Nussknacker“ geschenkt. Jed und mein Vater blieben Zuhause und spazierten mit den Hunden, während Yvonne und ihre Mutter, Faye und Tristan, Annika und ihre Freundin, Mama, Lilli und ich uns auf den Weg nach Oakland machten. Ich war überrascht, wie schön das Theater war. Es handelte sich um ein Art-Decó Theater und war dementsprechend überladen mit prunkvollen, goldenen Stuk und Dekorationen, samtenen Wandbezügen, großflächigen und farbprächtigen Malereien. Nicht anders als in Deutschland ist der Nussknacker ein typisches Feiertagsballett, und so fanden sich auch viele Familien mit Kindern unter den Besuchern. Das Ballett selbst war ebenfalls wunderschön – sehr klassisch, mit aufwendigen Kostümen und prächtigen Bühnenbildern. Zur Feier des Tages gingen beide Familien abends zusammen in eines der Lieblingslokale der Donnelleys, das La Mediterraneum, und stießen an auf eine neue Freundschaft. Für mich war das ein sehr bewegender Moment. Meine Familie und Gastfamilie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen, und nun hatte sich aus einer temporären Patchwork-Wohngemeinschaft eine Freundschaft zwischen Familien entwickelt.
Am Montag entschlossen wir nach einem gemeinsamen Frühstück mit meiner Gastfamilie, ein zweites Mal nach San Francisco zu fahren, diesmal mit dem Auto, da wir so einige Orte besser erreichen konnten. Ich zeigte meiner Familie beim Vorbeifahren den Golden Gate Park, den schönen Platz vor dem Legion of Honor Museum und den daran angrenzenden Park, wir hielten am Lieblingsstrand der Donnelleys, dem Baker Beach, und genossen die kräftigen Sonnenstrahlen, die unerwartete Wärme des Tages und die gewaltige Brandung des Pazifik. Weiter ging es über die Golden Gate Bridge – nachdem ich sie monatelang nicht überquert hatte, holte ich dies nun gleich zweimal in einer Woche nach. Auch dort führte ich meine Familien zu den Ecken, die ich mit Bianca zusammen entdeckt hatte. Anders als wir damals fuhren wir allerdings anschließend nicht wieder zurück, mitunter aus dem Grund, dass das Befahren der Brücken aus und nach San Francisco immer in eine Richtung bezahlt werden müssen, und da man für die Golden Gate Bridge die Toll nicht auf dem Weg bezahlen kann und man registriert wird, würde die Rechnung an die Autovermietung weitergeleitet werden. Wir entschieden uns für einen Abstecher nach Sausalito, ein Fischerdorf nördlich der Golden Gate Bridge mit netten Cafés, kleinen Boutiquen und einer schönen Strandpromenade mit wundervoller Sicht aus anderer Perspektive auf die Stadt. Über die Richmond Bridge ging es weiter durch Richmond und zurück nach Berkeley, wo wir in einem pakistanischen Restaurant gleich bei mir um die Ecke sehr authentisches und sehr leckeres Essen bekamen.

Geburtstag!

Der 23. Dezember war mein Geburtstag, und während er in Deutschland nicht weiter bedeutend gewesen wäre, bedeutete er hier für mich ein ganzes Stück mehr gefühlte Freiheit. Ich galt nun auch in den Vereinigten Staaten als erwachsen und war somit befugt, Alkohol zu trinken! Und um das auch kräftig auszunutzen und natürlich auch, weil es mir von vielen Bekannten wärmstens empfohlen worden war, wünschte ich mir, den Tag im Napa Valley zu verbringen. Nicht mal zwei Stunden nördlich von San Francisco befindet sich diese Landschaft aus Weinbergen, mit kleinen Weingütern und Städten gespickt. Wir machten uns morgens nach einem kurzen Frühstück im Diner Giants auf den Weg der Sonne entgegen. Trotz der fehlenden Blüten waren die Weinberge wunderschön anzusehen, das satte Grün der Hügel schien am Horizont nicht zu enden. Bei über 20° stiegen wir gegen Mittag aus dem Auto und besuchten das Artesa Winery, ein sehr modernes, aufwendig gestaltetes Weingut. Papa und ich probierten uns durch ein paar Weine, während Mama, die sich bereit erklärt hatte, zu fahren, und Lilli, die weit jenseits der 21 war, die Sonne genossen. Danach besuchten wir ein weiteres Weingut, Hess, ebenfalls sehr elegant, und vor allem deswegen interessant, weil es eine Kunstwerksammlung in seinem Haus beherbergte. Auch hier probierten Papa und ich ein paar Weine, und waren überrascht von der immensen Qualität. Am späten Nachmittag machten wir uns auf den Rückweg nach Berkeley, denn wir waren am Abend mit meiner Gastfamilie verabredet zum Essen im Restaurant Skates on the Bay, in dem auch die Donnelleys ihre Geburtstage zu feiern pflegen. Mit Blick auf die Skyline von San Francisco durch die verglasten Wände genossen wir einen Aperitif in der Bar, in der uns auch wieder der Unsinn amerikanischer Gesetzgebung in Bezug auf Alkoholika unter Beweis gestellt wurde; zunächst wollten wir uns an der Bar niederlassen, wogegen die Kellnerin aber schnell intervenierte, da Lilli offensichtlich unter 21 war. Einen halben Meter weiter, an einem Tisch (immer noch in der Bar, aber eben nicht an der Bar) durften wir hingegen Platz nehmen. Das Essen war wie erwartet vorzüglich, und die Stimmung ausgelassen. Es war wie ein weiteres Geburtstagsgeschenk, meine lieben Familien um mich herum zu wissen. Ausklingen ließen Angel, Riad, Faye, Tristan und ich den Abend noch im Jupiters bei meinem ersten legal erworbenen Bier in Amerika. Alles in allem war es ein wunderschöner, harmonischer und ereignisreicher Tag und wird mir sicherlich als besonderer Geburtstag in Erinnerung bleiben.

Weihnachten mal anders

Den Heiligabend starteten meine Familie und ich mit einem Frühstück in einem meiner Lieblingscafés gleich an der Ecke meiner Straße, dem Elmwood Café, und fuhren mit der BART ein weiteres Mal nach San Francisco. Der Wind war über Nacht sehr stark geworden, und der Himmel wieder bedeckter. Von besinnlicher Stimmung war nichts zu spüren – die Stadt war gewohnt voll von Touristen und Einwohnern, die Geschenke besorgten. Der Vollständigkeit wegen spazierte ich mit meiner Familie am Pier entlang zum Fisherman’s Wharf, einem der beliebtesten Touristenziele, wo wir die Seelöwen begrüßten und durch ein paar Shops bummelten. Doch wie erwartet gefiel auch meinen Eltern und meiner Schwester der Trubel nur bedingt, ebenso wie ich empfanden sie den Pier als eher atmosphärenlos und Touristenfalle. Mit einer der alten, traditionellen Cable Cars fuhren wir die steilen Straßen hinauf und hinunter und fanden trotz Panne zur Market St. zurück, von der wir mit der BART wieder nach Berkeley fuhren. Dort hatte sich neben den Donnelleys mit Annika auch Jeds Bruder mit seiner Ehefrau eingefunden, und wir zwölf genossen gemeinsam das Christmas Dinner, während wir weihnachtlichen Klängen lauschten und muntere Gespräche führten. Nachdem wir ins Wohnzimmer umgezogen waren, gab es noch Kaffee und Kuchen am Kaminfeuer, die Mädchen der Familien sangen amerikanische und deutsche Weihnachtslieder, die Yvonne musikalisch am Flügel begleitete, und mit viel Ruhe und Gemütlichkeit packte jeder Einzelne nach und nach ein Geschenk aus, das von allen Seiten bewundert und kommentiert  wurde und – wenn möglich – auch gleich ausprobiert. So saßen wir stundenlang zusammen und genossen die familiäre Stimmung.

Familien Roadtrip – auf nach South California

Obwohl wir den Heiligabend schon ungewöhnlich verbracht hatten, wurde es von nun an noch unweihnachtlicher: am ersten Weihnachtsfeiertag brachen wir vier auf in Richtung Süden. Traditionell ist in den USA erst am 25. Bescherung und entsprechend passend war es, dass auch die Donnelleys diesen Tag für sich hatten. Nach einer relativ kurzen Fahrt von etwa zwei Stunden hielten wir an unserem ersten Ziel: Monterey. Der Plan war es gewesen, den Nachmittag im Aquarium zu verbringen und am nächsten Morgen nach LA weiterzufahren. Doch unser Plan hatte gängige Feiertage nicht berücksichtigt, und so fanden wir uns vor verschlossenen Aquariumstüren wieder und waren gezwungen, unsere Flexibilität, die wir uns hatten beibehalten wollen, unter Beweis zu stellen. Wir fuhren in das nahe gelegene Carmel, wo allerdings auch alles etwas verlassen aussah, und genossen die letzten Sonnenstrahlen an einem Strand, der wohl einer der schönsten an der Westküste sein soll. Danach spazierten wir ein wenig am Pier von Monterey entlang und fanden, nach unerwartet und ärgerlicherweise sehr langer Suche nach einem offenen Lokal, ein Restaurant, das uns trotz des Feiertages bediente.
Gleich am nächsten Morgen ging es dann aber in das Aquarium, das mir, obwohl ich es schon gesehen hatte, wieder sehr gut gefiel und mich von seinem Konzept für Nachhaltigkeit und Aufklärung einmal mehr überzeugte. Am Nachmittag ging es auf dem Highway 1 entlang Richtung LA, wir hielten uns die Option offen, auf der Strecke zu pausieren oder durchzufahren. Beim Nationalpark Big Sur hielten wir an und statteten den McWay Falls einen Besuch ab. Liebend gerne hätte ich meinen Eltern natürlich die Ecken gezeigt, die ich im November auf unseren Wanderungen entdeckt hatte, doch dieses Mal vergnügten wir uns mit dem Plätzchen, das auch ohne Wanderung erreichbar war. Zwischen Monterey und Big Sur, aber auch noch ein ganzes Stückchen weitere ist der Highway 1 meiner Meinung nach am schönsten. Im Grunde kamen wir aus dem Erstaunen über die Schönheit der Küste gar nicht mehr heraus. Und der Sonnenuntergang war wieder einmal einer der schönsten, den ich je bestaunen durfte. Leider ist der Highway ab Einbruch der Dämmerung nicht mehr ganz so schön – hügelige, unbeleuchtete und kurvige Strecken machen das Fahren langsam und beschwerlich. Wir entschieden uns, in einem Fischerdorf einzukehren, Morro Bay, das außer ein paar Restaurants an der Strandpromenade nicht viel zu bieten hatte. Einmal mehr merkten wir, was wir nicht erwartet hatten: selbst hier waren die Hotels und Motels fast ausgebucht. Zwischen Weihnachte und Silvester ist eine beliebte Reisezeit, das hatten wir zumindest nicht so extrem erwartet.  
Am Samstag nahmen wir die Fahrt gen LA wieder auf, machten einen kurzen Halt in einem Vorort Santa Barbaras und waren hellauf begeistert – die Temperaturen waren gleich ein paar Grad angestiegen, seit wir in Südkalifornien waren, wie man es sich vorstellt, sind überall Palmen und Strände. Gegen Mittag erreichten wir unser Hotel in Los Angeles, und als wir uns auf den Weg nach Hollywood machten, merkten wir, wie unmöglich es hier tatsächlich wäre, sich ohne Auto fortzubewegen. Die Straßen sind bis zu neunspurig, und selbst zwischen den einzelnen Vierteln fährt man immer wieder über Freeways – während man in der Stadt ist! Das hätte ich mir vorher nicht vorstellen können. Unser erstes Ziel war der Walk of Fame. Ich hatte ihn mir anders vorgestellt, und dadurch und durch die Tatsache bedingt, dass die meilenlange Straße überlaufen mit Touristen war, fand ich diese Attraktion eher anstrengend. An der Straße reihten sich Touristenramschläden aneinander, Sterne von beliebten Stars wurden hart von fotografierenden Massen umkämpft, Doubles versuchten sich ein bisschen Trinkgeld zu verdienen, indem sie sich anzogen wie Stars, denen sie ähnlich sahen, und für Fotos mit ihnen einen kleinen Tip dankend entgegen nahmen. Flair oder Atmosphäre habe ich vergeblich versucht zu verspüren. Ich weiß aber, dass das durchaus am Tag oder an der Stimmung gelegen haben kann, oder an meiner so anderen Erwartung. Abends versuchten wir ein Univiertel zu entdecken und wollten schon fast aufgeben, da erstreckte es sich auf einmal vor uns: viele Restaurants, darunter ein japanisches, in dem wir aßen, Läden und sofort eine viel greifbarere Atmosphäre.
Als Sonntagsprogramm hatten wir uns für eine Tour durch die Warner Brothers Studios entschieden, anstatt in die Universal Studios zu gehen. Akribisch eingetaktet wurden wir zunächst in einen kleinen Filmsaal geschleust, in dem uns ein Einspieler über die Studios vorgespielt wurde. Danach wurden wir in Gruppen aufgeteilt und zu kleinen offenen Wagen geführt, deren Fahrer uns durch die Kulissen fuhren, erwähnten, welche Szenen aus welchen Filmen wo gedreht wurden, und sehr informative, aufschlussreiche und witzige Fakten erzählten. In einer Sonderausstellung über die Harry Potter-Reihe sowie die Batman-Filme sowie bei verschiedenen Stationen wie einzelnen Kulissen, dem Requisitenlager oder der Sitcom-Halle, in der zum Beispiel Two and a half men aufgenommen werden (und die Lacher live aufgenommen! – hätte ich nie gedacht) konnten wir uns alles in Ruhe ansehen. Am Ende der Tour hatte man tatsächlich das Gefühl, ein bisschen besser zu verstehen, wie und mit welchen Methoden ein Film produziert wird und vor allem, wieviel Arbeit dahinter steckt! Um auch das Hollywood-Zeichen mal gesehen zu haben, folgten wir dem Tipp eines Mannes und fuhren viele, enge Kurven durch eine Nachbarschaft hindurch und glaubten schon fast, falsch zu sein, als sie vor uns auftauchten: wie so vieles dort kleiner und unspektakulärer als gedacht – und mal wieder ein bisschen anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Nach einem Abstecher zum Rodeo Drive, um auch diesen mal gesehen zu haben, wollten wir eigentlich zum Griffith Park, auf dessen Spitze das Planetarium und Observatorium stehen, doch die fast einstündige Fahrt lohnte sich nicht, da der Parkplatz überfüllt war und ankommende Fahrzeuge wieder zurückgewiesen. Stattdessen entschieden wir uns spontan für einen Kinobesuch, Into the Woods war gerade angelaufen, und überbrückten die Zeit bis zum Filmbeginn mit einem Café in einem netten Eckcafé und einem Bummel in einer der vielen tollen Secondhand-Ketten. Auf dem Weg zum Kino durchfuhren wir außerdem noch einige andere Viertel, was uns einen wachsenden Eindruck dieser riesig und ungreifbar scheinenden Stadt verlieh. Aufgrund der vorangeschrittenen Zeit gab es anschließend noch einen kleinen im Supermarkt zusammengekauften Imbiss auf dem Hotelzimmer.
Den Montagvormittag verbrachten wir nach einem weiteren Diner-Frühstück im Getty Center, das vor allem deswegen interessant ist, da es auf einem Hügel hoch über Stadt erbaut ist und der Eintritt frei ist. Wenn man für das Parken bezahlt hat, kann man mit einer Seilbahn hinauf zum Museum fahren und von der sich weit erstreckenden, architektonisch interessanten modernen Anlage die Stadt von oben betrachten. Für die Kunstwerke selbst fehlte mir an diesem Tag die Aufnahmefähigkeit, und so besuchten wir lediglich eine Ausstellung europäischer Gemälde und eine Fotoausstellung. Danach fuhren wir nach Santa Monica, und liefen die lange, wunderschöne Strandpromenade nach Venice Beach entlang. In diesem alternativen Örtchen trifft man auf Althippies, die in die Tasten verstimmter Flügel hauen, oder Surfer, die verträumt mit ihrem Hund auf dem Arm in die untergehende Sonne schauen. Man sieht viele Henna-, Tattoo- und Piercingshops und viele Möglichkeiten, Marihuana zu erwerben. Nur nach Einbruch der Dunkelheit soll die Promenade nicht mehr allzu sicher sein, und tatsächlich war mit Untergang der Sonne minütlich weniger los und wir fühlten uns sicherer, je näher wir Santa Monica wieder kamen. Dort fanden wir ein Restaurant auf der vollen Einkaufspromenade und spazierten anschließend noch zu dem kleinen Freizeitpark, der direkt am Pier lag.
Der nächste Morgen bedeutete für uns bereits wieder die Rückfahrt nach Berkeley, doch nicht ohne zuvor noch im allzu bekannten Malibu Halt gemacht zu haben, um ein wenig am Strand zu spazieren, inklusive Blick auf teure Privatvillen und sonnenlichtumtanzte Wellen. Um schneller den Norden Kaliforniens zu erreichen, wählten wir diesmal die Interstate. Hin und wieder eine Massentierhaltung am Straßenrand, ansonsten nur endlose, öde Landschaft. Nach einem letzten Abstecher in das auf dem Weg in Livermore gelegene Outlet erreichten wir gegen Abend die Stadt. Da es spät geworden war und die Restaurants oft schon um 8 schließen, aßen wir noch eben eine Pizza nahe dem Campus und gönnten uns - ganz zu meiner Freude - noch eins der legendären Ice Cream Sandwiches im Cream.

Silvester in San Francisco
Den letzten Tag des Jahres wollten wir nicht tatenlos Zuhause verbringen, und so erfüllten wir nach einer kleinen Shoppingrunde durch Berkeley einen der langgehegten Träume meiner Mutter und fuhren zum Muir Woods National Monument. Zwar hatten wir es nicht in den Redwood Nationalpark geschafft, doch die letzten in der Region San Francisco verbliebenen Küstenmammutbäume, die höchste Baumart der Erde, beeindruckten uns mit ihren bis zu 79 Metern Höhe nicht weniger. Einen Spaziergang entlang dieser Baumriesen ließen wir mit einer heißen Schokolade ausklingen und fuhren dann flugs zurück nach Berkeley, während in Deutschland schon das Jahr 2016 feiernd begrüßt wurde. Nach einem kurzen Friseurbesuch und einer kleinen Stadtrundfahrt durch die an den Campus angrenzenden Straßen mit ihren prachtvollen Häusern und Fraternities machten wir vier uns abermals auf den Weg nach San Francisco. In einem Restaurant nahmen wir ein leckeres Silvester Dinner zu uns und schlossen uns anschließend den Massen an, die allesamt in Richtung Embarcadero liefen. Die ganze Market St. war für diesen Zweck gesperrt worden, und Polizisten an den Straßenecken nahmen den Menschen unaufgeregt aber bestimmt Sekt- und Bierflaschen ab - auch an Silvester gab es keine Ausnahmen. Seltsam war lediglich, dass so viele Menschen mitten in der Nacht mit Kaffeebechern durch die Straßen liefen... Am Pier angekommen, waren es nur noch wenig Minuten im Jahr 2015 - und dann begann es, das einzige Feuerwerk San Franciscos. Mit dem Ferry Building im Hintergrund war es ohne Zweifel sehr schön, und die Stimmung unter den Hunderten von Zuschauern ausgelassen - doch für das einzige große Feuerwerk in der Bay Area hatten wir fast etwas mehr erwartet. Beeindruckend war jedoch, wie gut organisiert die Abreise der Menschen verlief - geordnet liefen alle gleichzeitig in die angrenzenden BART-Stationen, die nur in jeweils eine Richtung offenstanden, und binnen 15 Minuten saßen wir bereits in der Bahn nach Berkeley.
Der 1. Januar hieß für meine Familie und mich, Abschied zu nehmen. Bereits auf der Rückfahrt vom Flughafen war mir mulmig zumute - am folgenden Tag würde ich Berkeley auch erst einmal für ein paar Tage verlassen, und danach waren meine Tage dort gezählt. Bis in die späten Nachtstunden teilte ich mein verbleibendes Gepäck auf. Meine Familie war mit halbleeren Koffern angereist und hatte einen Großteil meiner Dinge bereits mit nach Deutschland genommen, trotzdem sollte während meines Roadtrips noch weiterer gepackter Koffer bei den Donnelleys untergestellt werden. Am nächsten Morgen fuhr ich gegen Mittag zu Jasmijns Appartement, und dann begann unser Abenteuer...