Montag, 22. September 2014

Seit genau einem Monat bin ich nun hier, und diese Woche hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass langsam eine Art Alltag einkehrt. Allerdings habe ich noch keinen Rhythmus gefunden und jeder Tag bringt Neues mit sich – was ich in keiner Hinsicht als störend empfinde. Und wenn ich Alltag sage, ist damit nicht Gewohnheit – jedes Mal, wenn ich über den Campus laufe, auf einem Hügel stehe und auf die Bucht hinunterblicke oder San Franciscos Skyline erkenne, genieße ich den Anblick und versuche, für einen Moment innezuhalten.

Seit letzter Woche habe ich schon wieder eine ganze Menge wundervollster Momente erlebt.
Letzten Samstag hat Jed mit mir spontan die 3-Bridges-Tour unternommen. Von Berkely aus ging es über die Bay Bridge und Treasure Island nach San Francisco, am Golden Gate Park vorbei an den Ocean Beach an der Pazifikküste, über die Golden Gate Bridge, und schließlich über die Richmond Bridge zurück nach Berkeley. Dort angekommen hat er mir noch den Rose Garden gezeigt – ein wunderschöner Ort, um umgeben von duftenden Blumen abzuschalten.
San Francisco, von Treasure Island aus betrachtet

Die neue Bay Bridge von Treasure Island aus betrachtet, direkt daneben verläuft die alte Bay Bridge
die Bay Bridge
Ocean Beach
Ocean Beach

da ist sie nun endlich, die Golden Gate Bridge!


...und der Rose Garden in Berkeley
und schließlich die Richmond Bridge












Viel Zeit habe ich am Wochenende mit Angel verbracht. Sie hat mich mit zum Stammtisch des Fachbereichs für Deutsch genommen – jeden Freitag treffen sich Studierende, trinken Bier und unterhalten sich auf Deutsch. Es war erstaunlich, wie unglaublich fließend manche sprechen können, bei einem der Anwesenden dachte ich sogar erst, er wäre aus Deutschland, dabei ist er hier aus der Gegend und lernt erst seit ein paar Jahren Deutsch. Danach waren wir auf dem Campus und sind zwischen einem Hip Hop-Konzert und einer  Swing-Party hin- und hergewandert.


Den Sonntag haben wir auf dem Solano Stroll verbracht – auf der Solano Avenue, die Berkeley mit Albany verbindet, versammelten sich Vereine, Verkäufer und Musiker und bildeten so das größte Straßenfest der Bay Area. So sehr wir den Trubel, die gute Stimmung und leckeres koreanisches Essen genossen, empfanden wir es, am Ende der Straße angekommen, doch als relativ unspektakulär und kommerziell. Umso interessanter war es deswegen für mich, zurück in Downtown noch über das sich dem Ende nähernde, im September wöchentlich stattfindende Straßenfest auf der Telegraph Avenue zu spazieren – dort befanden sich Straßenkünstler, die ihre Werke verkaufen, ein nach außen verlagerter Buchladen zum Stöbern und Lesen und viele, viele fliegende Händler. Kurzum, Sundays on Telegraph war das Gegenstück zum riesigen Solano Stroll, und wie Angel es sehr schön formulierte: die Dinge werden um einiges interessanter, wenn sie mit der Kultur vor Ort verbunden sind, im Falle von Berkeley der Alternativkultur. Einige bezeichnen dieses Straßenfest als das Überbleibsel einer Zeit, als die Telegraph Avenue den Mittelpunkt der Alternativszene in Berkeley bildete, die heute leider vielmehr Standort einiger Ladenketten und Rückzugsort für viele Obdachlose ist.

hier ein immer noch heiß diskutiertes Thema!
Solano Stroll

Sundays on Telegraph
Ausklingen lassen habe ich den Sonntag mit einem Bummel durch Elmwood, ein Viertel, das sich direkt vor meiner Haustür befindet und ein paar Blocks mit Cafés, kleinen Lädchen und einem Kino umfasst – und etwas abseits einen wunderbaren Eisladen, der deliziöses Bioeis in Sorten wie Garam Marsala, White Chocolate and Pepper oder Green Tea in Sesamwaffeln verkauft. Ich habe es unheimlich genossen, mich ohne Eile durch Berkeley treiben lassen zu können, und war dementsprechend entspannt am Ende des Wochenendes.

Das war eine gute Ausgangslage für die Woche, denn meine ersten Hausaufgaben waren fällig und ich habe viel Zeit mit dem Lesen der Pflichtliteratur verbracht. Eine schöne Abwechslung war die Coffee Break in einem Café nahe des Campus, bei der das International Office mittwochs für eine Stunde Kaffee und die Möglichkeit, andere internationale Studierende kennen zu lernen, anbietet. Man lernt viele interessante Menschen kennen, weswegen ich versuchen werde, es als festen Bestandteil in meinen Mittwoch einzubauen. Ich habe es geschafft, mein Pensum bis Freitagmittag abzuarbeiten, und konnte so den Nachmittag in San Francisco verbringen. Dort bin ich in aller Ruhe durch China Town geschlendert und habe mich von all den Eindrücken einnehmen lassen.

ein Ratschlag aus dem Disney Store
das Eingangstor nach Chinatown


so sieht es aus, wenn Häuser auf sehr steile Straßen gebaut werden




Außerdem waren Faye und ich wieder beim Contradance und haben bei den anschließenden „afters“ mit allen, die noch beisammen sitzen wollten, im Café Saturn vorzügliche Milchshakes genossen, und getanzt habe ich auch noch am Freitagabend auf einer Salsa Party, bei der ich mit Tef war.
Gestern sind Kristina, die damals das BBQ initiiert hat, ein paar ihrer Freunde und ich zum Livermore Outlet gefahren und haben den Nachmittag dort verbracht – auf dem Rückweg haben wir festgestellt, dass wir Outlets seltsam finden. Diese vielen, vielen Läden auf einem Fleck, als würden sie eine kleine Stadt bilden, und die vielen, vielen Menschen, die alle so gestresst und hektisch versuchen, für die größten Rabatte die meisten Marken abzustauben. Abends haben wir im Jupiter in kleiner Runde in Kristinas Geburtstag mit Live-Jazzmusik, unglaublich leckerer Pizza und hauseigenem Bier reingefeiert. Bevor das möglich war, musste ich die erste Hürde überwinden, die mir aufgrund meines Alters in die Quere kam. Tatsächlich wurde ich nicht ins Jupiter gelassen, da ich nicht 21 bin, und das um 20 Uhr. In meiner Verzweiflung habe ich das ganze Spektrum möglicher Argumente und Tricks ausgeschöpft, doch erst die Bitte Kristinas, mit ihrer kleinen Schwester ihren Geburtstag feiern zu können, und die Einwilligung eines von ihr eingeschalteten Kellner hat den Türsteher überzeugt. Ich hoffe, dass ich solche Situationen zukünftig umschiffen kann und mich diese drei fehlenden Monate nie dazu zwingen, an gemeinsamen Abenden nicht teilzuhaben.
Einen unglaublich schönen Tag habe ich heute mit Faye, ihrem Freund Tristan und einer neuen Freundin von mir in Monterey verbracht. Samantha und ich sitzen in einem Kurs nebeneinander und vor dem heutigen Tage haben wir nicht mehr als ein paar Sätze gewechselt, aber es stellte sich als goldrichtige Entscheidung heraus, sie trotzdem zu fragen, ob sie mitkommen möchte. Für den zweistündigen Hinweg haben wir die Route über den Highway 1 gewählt, der direkt an der Küste verläuft, glücklicherweise lichtete sich der Himmel kurz vor Monterey auf und bot uns eine atemberaubende Aussicht. In Monterey angekommen, haben wir das Monterey Bay Aquarium besucht, eines der größten Aquarien weltweit. Mit dem Eintrittspreis unterstützt man Forschung, die dem besseren Verständnis und dem Schutz vieler Meeresbewohner wie dem Weißen Hai oder Ottern dienen soll. Auszeichnend ist vor allem das Open Sea Becken, in das Meerwasser aus der direkt angrenzenden Bucht gepumpt wird und in dem die Tiere wohnen, die in der Monterey Bay Zuhause sind. Neben vielen faszinierenden Fischen und anderen Tieren hat man einen wunderbaren Blick auf das Meer und kann mit etwas Glück eine Robbe oder einen Otter erblicken. Sam und ich haben in einer Pause von dem vielen Staunen und Schauen die in der Bay Area beliebte Clam Chowder, also Muschelsuppe, serviert in einer Bread Bowl, genossen. Besonders gefallen haben mir die Becken, in denen man ausgewählte Meeresbewohner anfassen und bewundern durfte – darunter Seesterne, Krabben, Seegurken und Rochen. In Monterey gibt es außerdem eines der "Bubba Gump" Restaurants, das nach dem Film Forrest Gump inspiriert wurde. Nachdem wir uns bei Ghirardelli delikate Eiscreme gegönnt haben, sind wir noch über Montereys Fisherman’s Wharf spaziert, haben dem Bellen der Seelöwen gelauscht und Salt Water Taffy genascht. Wieder in Berkeley angekommen, bin ich nun recht erschöpft, aber voller traumhafter Eindrücke.

entlang des Highway 1
Robben und Möwen in der Bucht


Hairy Potter und ich
Sam und ich
...umgeben von einer Welle








schlafende Otter








 





in den Schuhen von Forrest Gump steckend

Seelöwen




die Taffy Maschine
Faye, Tristan, Sam und ich










Übrigens haben wir auf dem Rückweg über Davis gesprochen, und ich bin so froh, mich dagegen entschieden zu haben, dort zu studieren. Nicht nur ist Davis anscheinend viel weniger von der Universität geprägt, sondern auch viel ruhiger und ergo langweiliger – und darüber hinaus viel weiter von San Francisco und der Bucht entfernt. Wie Faye es formuliert hat: der einzige Grund, nach Davis zu gehen, ist, dass man in Berkeley aufgewachsen ist und deswegen an einem andere Ort studieren möchte. Puh, da habe ich wohl alles richtig gemacht. Ganz im Ernst, ich bin überglücklich über die Situation und dankbar für alles was bisher geschehen ist und wie sich die Dinge bisher gefügt haben, teilweise auf beinahe zauberhaften Zufällen beruhend.

Donnerstag, 11. September 2014

California Sunshine

Eine Woche ist schon wieder vergangen, wahnsinn!
Rückblickend habe ich vor allem viel getanzt in den letzten Tagen – am Mittwoch hat mich Faye, die Tochter der Familie, bei der ich wohne, mitgenommen zum Contra Dance. Sie selbst hat dies als Inbegriff amerikanischer Tanzkultur beschrieben, die man nirgendwo auf der Welt in dieser Form wiederfindet. Kennzeichnend für Contra Dance ist, dass immer zu Live Musik getanzt wird, meist irischer Folkmusik. Für jeden Tanz sucht man sich einen Partner und stellt sich in zwei Reihen nebeneinander auf. Bevor es losgeht beschreibt ein Ansager die Schritte, und dann wird vor allem viel gedreht – umeinander, miteinander, um sich selbst.  Um dabei keinen Drehwurm zu bekommen, schaut man seinem Partner stetig in die Augen, was am Anfang seltsam für mich war, aber sich schnell als unabdingbare Notwendigkeit herausstellte. Die Kombinationen werden meist zu viert getanzt, und mit Ende jeder Schrittabfolge tanzt man mit dem nächsten Paar, und das solange, bis man wieder an seiner Ausgangsposition ist. So kompliziert das zunächst einmal klingt, ist es anfangs tatsächlich auch, doch sobald man sich in das Gewirr aus drehenden Menschen eingefunden hat und weiß, wann man mit wem tanzen sollte, macht es wahnsinnig viel Spaß. Besonders interessant war, wie verschieden das Publikum war – von Studierenden über Mittvierziger bis hin zu Senioren war alles dabei, wobei der Altersdurchschnitt bestimmt bei fünfzig lag. Gemeinsam hatten die meisten nur, dass sie nichts gemeinsam hatten, einzig die alternative Haltung jedes einzelnen war sichtbar.

Abgesehen vom Zumba und Hip Hop tanzen im Recreational Center war ich am Samstag und Sonntag noch bei Auditions für zwei Tanzgruppen. Gar nicht so sehr, weil ich unbedingt aufgenommen werden wollte, sondern vielmehr, um mir so eine Audition mal anzusehen – auch das ist ja etwas, was man aus den amerikanischen College-Filmen kennt. Eigentlich wollte ich auch einem Chor beitreten, aber für jeden einzelnen hätte man in Auditions vorsingen müssen und aufgrund meiner nichtvorhandenen Chorerfahrung und meinem begrenzten Talent habe ich mich das nicht getraut. Die Auditions für die Tanzgruppen waren auf jeden Fall sehr aufregend – nach gemeinsamen Aufwärmen haben alle Bewerber, meist etwa 50 an der Zahl, eine kurze Choreographie gelernt und mussten diese dann in kleinen Gruppen vor den Choreographen vortanzen. Auch wenn es nicht geklappt hat – aufregend war es in jedem Fall.

Die Audition für Jazzdance vor dem Haas Pavillon
Beim samstäglichen Lindy on Sproul habe ich einen Fotografen, Tef, kennen gelernt, der mit mir spontan den Panoramic Hill hinausgestiefelt ist, als er erfahren hat, dass ich dort noch nicht war  - der steile Aufstieg in der knalligen Mittagshitze hat sich gelohnt, denn der Hügel macht seinem Namen alle Ehre. Nach einem ausgezeichneten Essen in einem wunderbaren persischen Restaurant konnten wir in Ruhe die Sonne auf dem Campus genießen.

die Nachbarstädte Emeryville und Oakland, und in der Ferne - wie immer, San Francisco
Wenn man den Campanile Tower sieht, weiß man, wo der Campus liegt.
An diesem Samstag war auch das Eröffnungsspiel der Saison im California Memorial Stadium, das ich leider verpasst habe. Mitbekommen habe ich aber das Drumherum – das Aufheizen der Menge auf dem Campus mit Marching Band, Cheerleadern und viel blau und gold, die fliegenden Händler um das Stadium herum, die ihre Würstchen, Crêpes und Limonade verkaufen, und die Verbindungspartys in ausnahmslos jeder Fraternity und Sorrority. Auch das ist übrigens wie man es aus den Filmen kennt – es gibt eine Straße, auf der fast alle Verbindungshäuser nebeneinander liegen und alle haben griechische Buchstaben als Namen.

Am Sonntag habe ich Angel kennen gelernt, eine Couchsurferin, die ich vor drei Wochen verzweifelt angeschrieben habe und die damals schrieb, dass sie zur Zeit in Brasilien sei aber mir gerne mal die Stadt zeigen würde. Zusammen mit einem Freund von ihr aus Venezuela, Emmanuel, der in San José arbeitet, sind also wir drei, aus drei verschiedenen Kontinenten kommend, Angel ist aus China, zu einer Sambaparty nach San Francisco gefahren. Am Sonntag war nämlich Brasiliens Independence Day und das wurde in einer Bar in San Francisco, direkt am Wasser, groß gefeiert. Wir drei hatten dort einen fabelhaften Nachmittag, den wir in einem kleinen, sehr zu empfehlenden Sushi Lokal mitten in einer Wohngegend in San Francisco haben ausklingen lassen.


 

Abgesehen von viel Tanzerei war ich noch bei einer Quiz Night über Cal und habe – tätärätä – eine Berkeley Tasse gewonnen! Unser Team, the rhinoceroses (zwei meiner Mitstreiter waren Theaterstudenten, die dieses Semester ein Stück einüben, in dem sich alle Menschen in Nashörner verwandeln), war offensichtlich am drittbesten über Akronyme, Gebäude, Alumni und Cal in der Popkultur informiert. Eindruck hinterlassen hat bei mir vor allem, dass der Campus in der Monster Uni zumindest teilweise von Berkeleys Campus inspiriert worden ist! Apropos Filme – Jed, mein Gastvater, hat mir noch einen weiteren amerikanischen Filmklassiker gezeigt, der mich sehr berührt hat: October Sky. Aber das nur am Rande.

Zu guter Letzt haben sich letzte Woche an zwei Tagen einige der etwa 1500 Studierenorganisationen auf dem Campus vorgestellt, Calapalooza nennt sich dieses Event. Es ist wahnsinn, wie viele verschieden Clubs es hier gibt. Die internationalen Studierenden, die in großer Zahl vertreten sind, haben ihre eigenen Vereine - dementsprechend gibt es viele asiatische Vereine, denn die asiatischen Studierenden bilden die Mehrheit in Berkeley. Außerdem gibt es politische Vereine, Kunstvereine, akademische Vereine, Vereine für gesellschaftliches Engagement, viele Vereine für Mentoring, Unizeitschriften, Unternehmensberatungen, und und und. Besonders gefreut hat mich, dass ich am Stand des Neurowissenschaftsvereins für undergraduates endlich mal ein echtes Gehirn in den Händen gehalten habe – nachdem wir in Münster so viel darüber gelernt haben und sogar eines geknetet, habe ich nun ein echtes gesehen. Diese Woche war ich nun bei ein paar Informationsveranstaltungen und werde mich dann in den nächsten Wochen entscheiden, ob und welchem Club ich mich anschließen möchte. Besonders inspirierend fand ich den Verein „Miss Universe at Berkeley“ – obwohl, vielleicht ist ein Club mit Inhalt doch interessanter.

                
                   das wunderschöne Sather Gate


Einzig und allein eine Erkältung, die gestern ausgebrochen ist, dämmt meine allgemeine Freude etwas. Doch abgesehen davon geht es mir nach wie vor gut und ich genieße vor allem die Sonne und den Sommer hier!