Samstag, 16. April 2016

Lima Downtown inklusive Pisco Sours und Ballett

Am Donnerstag erfuhr ich nach meinem Frühstück im Hostel (anscheinend das typisch peruanische Hostel-Frühstück bestehend aus Brötchen, gesalzener Butter und Marmelade, Eiern, Joghurt, Instantkaffee und frisch gepresstem Saft), dass mein Rucksack bereits auf dem Weg zu mir war, und so konnte ich gelassen zum Treffpunkt für die Free Walking Tour durch Lima Downtown laufen. Zum Glück hatten die Tour Guides Sonnencreme dabei, denn meine Unterarme, Gesicht und Dekolleté waren vom Vortag grellrot. Sogleich lernte ich ein paar andere Reisende kennen, darunter ein Pärchen aus Deutschland und Alex aus Straubing, die mir aufgrund ihrer nunmehr neunmonatigen Reise viele hilfreiche Tipps und Empfehlungen geben konnte und die mir versicherte, was ich bereits vermutet hatte: so unsicher, wie alle immer denken, ist Südamerika gar nicht. Wenn man ein paar einfache Dinge beachtet, wie zum Beispiel, dass man Wertgegenstände nicht offen herumträgt und sein Handgepäck nicht unbeobachtet lässt, dann passiert in den meisten Fällen auch nichts.
Mit der Metro fuhren wir nach Downtown. Die Haltestellen dafür befinden sich mitten auf den Hauptstraßen und sind nur mit aufgeladener Metrokarte über die Tore zugänglich. Wir bekamen den wichtigen Tipp, dass man Einheimische in Besitz einer Karte fragen kann, ob sie die eigene Fahrt auf ihre Karte laden können und so den Zutritt ermöglichen, sodass man sich keine eigene Karte für 5 Soles kaufen muss. Eine Fahrt kostet immer 2,50 Soles, also etwa 70 Cent. Wenn die Busse halten, öffnen sich automatisch die Tore der Haltestellen und Menschenmassen drängen sich in und aus den Bussen.

 

Als erstes steuerten wir den Plaza de Armas, oder auch Plaza Mayor, an - ein großer Platz um einen Bronzebrunnen, flankiert von der imposanten Catedral de Lima und dem nicht weniger eindrucksvollen Palacio de Gobierno, vor dem wir die von Musik begleitete Wachablösung um 12 Uhr miterlebten.

 


Durch die von Häusern mit gelber Fassade geprägte Fußgängerzone liefen wir zur hübsch anzusehenden rosafarbenen Iglesia de Santo Domingo und stiegen dort in einen Minibus, der uns exklusiv - wie uns mehrfach von seiten der Tour Guides versichert wurde - auf einen Hügel über 400 Metern fuhr, um uns dort eine einzigartige Sicht über Lima zu bieten. Nachdem wir den an dieser Stelle fast ausgetrockneten Río Rímac überquert hatten, wurden wir gebeten, die Fenster zu schließen - nicht etwas, weil das Viertel Rímac gefährlich sei, sondern lediglich, um kein Risiko einzugehen. Unser Tour Guide erklärte uns, dass Downtown nicht so kriminell sei, wie immer gesagt wird, jedoch sei das Viertel sehr wachstumsstark und gleichzeitig aber eher wirtschaftsschwach und somit sehr günstig - nie verwendete er das Wort arm zur Beschreibung der herrschenden Verhältnisse. Er erzählte uns von der Bewegung Lima Love, einer jungen Bewegung, die mit Street Art in diesen Gegenden auf die Ungleichheit aufmerksam machen und die Stadtteile gleichzeitig attraktiver gestalten wollte.

 

Die letzten Meter führten durch unglaublich enge und steile Gassen, die normalerweise eher mit Tuk Tuks statt mit Minibussen befahren werden, und dann waren wir angekommen und hatten einen 360 Grad-Blick über Lima.

 
 

Selbst von hier oben hörte man das nie aufhörende laute Hupen, und bei dem Anblick der Stadt konnten wir erahnen, wie riesig Lima war (fast 9 Millionen Menschen leben hier und damit fast ein Drittel der gesamten peruanischen Bevölkerung) und wie trocken (ein weiterer Fun Fact: Lima ist die zweittrockenste Stadt der Welt nach Kairo). Unser Guide wies uns darauf hin, wie deutlich man nun auch die soziale Ungleichheit in Lima sehen konnte anhand der eleganten, hoch gebauten Viertel der reicheren und einfachen, teilweise windschiefen Häuser der ärmeren Bevölkerung. Er warnte uns aber davor, die Stereotypisierung nicht zu hinterfragen und wies darauf hin, dass Gerüchte über die Kriminalität bestimmter Stadtteile und Bevölkerungsgruppen ganz bewusst geschürt würden.

 

 

Zurück in der Altstadt liefen wir durch eine schöne Halle neben dem Postamt und legten eine kurze Mittagspause ein, in der wir uns Empanadas kauften und kurz die Toilette aufsuchten. Auch dazu ein paar Worte: die öffentlichen Toiletten sind oft in einem grausigen Zustand, Seife und Toilettenpapier eine Seltenheit. Wenn letzteres vorhanden ist, dann oft in Form einer Rolle am Eingang, außerdem darf man es nie in die Toiletten schmeißen. Nicht gerade superhygienisch, aber aus China weiß ich, dass das Nichtbeachten dieser Regel tausendmal ekliger ist und in überschwemmten Toiletten endet.
Zu meinem Empanada kaufte ich mir noch eine Inka Cola, die hier überall verkauft und auch getrunken wird - mir ist das nicht verständlich, das gelbe Getränk schmeckt so wie es aussieht, künstlich und pappsüß mit einem seltsamen Nachgeschmack nach Kaugummi.

 

Vor einem der vielen kolonialen Gebäude, der Casa de la Literatura Peruana, erzählte unser Guide uns vom paradoxen Rassismus in Peru: in Lima brüsteten sich einige Peruaner damit, von den Spaniern abzustammen, und in Cuzco brüsteten sich einige Peruaner damit, Inka-Blut in sich zu haben - in beiden Fällen würden die jeweils anderen Peruaner verachtet.
Nach einem Halt vor dem Monasterio de San Francisco, das für seine Katakomben bekannt ist, liefen wir durch einen Markt zu unserer letzten Station: einer Verkostung des Nationalgetränks Pisco, einem Traubenschnaps. Pur schmeckt er schon nicht schlecht, aber die drei folgenden Cocktailvariationen schmeckten noch besser - entweder sauer mit Limettensaft oder süß mit Maracuja oder Sahne.

 

Ein paar von uns entschieden sich, die Verkostung in einer anderen Umgebung weiterzuführen, und so fand ich mich mit Morgan aus Hawaii, Anne aus England, Mélissa aus Belgien und drei weiteren Reisenden aus Norwegen und Australien in einem Lokal mit Happy Hour wieder. Der Chilcano schmeckt eher bitter und mir entsprechend nicht so gut, aber der Pisco Sour, der peruanische Cocktail schlechthin, ist wirklich wahnsinnig lecker - lediglich das aufgeschäumte Eiklar müsste meiner Meinung nach nicht auf dem Cocktail schwimmen, aber uns wurde bereits erklärt, dass kein peruanischer Barmann dieses weglassen würde.

 

Die typischen Themen von Reisenden wurden besprochen - woher bekommt ihr Informationen, nutzt ihr couchsurfing, wo wart ihr bisher, habt ihr Empfehlungen und was waren eure besten Erlebnisse bisher? Dabei musste ich an Jasmijn denken, die damals meinte, wir würden uns deswegen so gut verstehen, weil unser Humor und unsere Art sehr ähnlich und ihrer Meinung nach sehr europäisch waren - nun, in diesem Fall fühlte ich mich daran erinnert, denn Morgan und Anne waren laut und aufgedreht, während Mélissa beispielsweise eher ruhig war, dabei aber nicht weniger witzig. Und eine weitere Sache war mir davon unabhängig aufgefallen: ich hatte bisher nur Reisende kennen gelernt, die bereits berufstätig waren! Keine studentischen Backpacker, wie ich es sonst kannte. Morgan und Anne hatten vor, sich die kostenlose Vorpremiere des Balletts Don Quijote im Teatro Municipal anzusehen, und Mélissa, der Norweger, dessen Namen ich nicht weiß, und ich schlossen uns ihnen spontan an. Vor dem Theater hatte sich bereits eine Stunde vor Vorstellungsbeginn eine Schlange gebildet, die sich um zwei Blöcke herum zog. Beim Warten stellte ich fest, dass in der gesamten Straße nur Optiker waren, und Mélissa erzählte mir, dass sie schon oft gesehen habe, dass in einer Straße nur eine Geschäftsform vertreten sei. Wir holten uns abwechselnd von den Straßenständen noch etwas zum Essen - in meinem Fall ein einfaches Avocadosandwich, also ein helles Brötchen mit einer Scheibe Avodado darin, für nur 1 Soles, also etwa 30 Cent! Leider waren die ersten Tickets vergeben worden, als Mélissa und ich gerade weg waren, und wir mussten uns nochmal hinten anstellen, doch das lange Warten lohnte sich und wir durften schließlich das wunderschöne Theater betreten - mein erstes Mal mit Flip-Flops im Ballett.

 

Das Ballett selbst war in Ordnung, mir persönlich aber zu viel Klamauk und tänzerisch eher medioker, allerdings waren die Kostüme sehr schön - und außerdem war es kostenlos! Mitten in der Vorstellung holte mich leider mein Jetlag ein, und so war ich froh, dass wir uns nach der Vorstellung ein Taxi teilten - zu fünft für 15 Soles und somit nur unwesentlich teurer als der Bus (ja, zu fünft - zu viert auf der Rückbank zu sitzen ist hier kein Problem) - das uns noch einen Blick auf den nächtlich beleuchteten riesigen Plaza San Martín ermöglichte, und ich mich in Miraflores von den anderen verabschieden und in mein Bed fallen konnte.

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