Freitag, 31. Oktober 2014

Happy Halloween!

Halloween steht vor der Tür - morgen ist es soweit! Hier ist Halloween ein aufwendig zelebrierter Tag – seit Wochen sind ausnahmslos alle Restaurants, Cafés und jedes erdenkliche Geschäft dekoriert und auch die Häuser und Gärten sind bereits geschmückt. Ich bin schon gespannt, was morgen auf mich zukommt… Außerdem freue ich mich auch schon riesig auf Samstag - da findet der alljährliche Gourmet-Trip der „Cal Hiking and Outdoor Society“, kurz CHAOS, statt. CHAOS ist weniger ein Club als vielmehr eine Gemeinschaft, in der sich Mitglieder zusammenfinden, um wandern zu gehen. Kristina ist schon länger Mitglied bei CHAOS und hat mich auf den Ausflug aufmerksam gemacht. Am Dienstag haben wir dafür Ausrüstung ausgeliehen und am Mittwoch fand das Planungstreffen statt, bei dem ich einen Fahrer und eine Kochgruppe gefunden habe. Abends habe ich beim Stammtisch in einer Pizzeria weitere Mitglieder kennen gelernt und spontan eine Mitgliedschaft abgeschlossen– für nur 10$ kann ich mir nun Wander- und Campingausrüstung ausleihen.
 
Letzten Donnerstag fand das von Rotaract organisierte Event „Ignitus“ statt, bei dem sechs Gastredner über ihre Leidenschaft, etwas zu bewegen, sprachen. Nachhaltig zum Nachdenken angeregt hat mich dabei Simon Mont, ein Jura Graduate Student, der mit einer unglaublichen Überzeugung und dementsprechendem Enthusiasmus über das amerikanische Justizsystem sprach und dass es seiner Meinung nach Zeit ist, über einen alternativen Gerechtigkeitsbegriff nachzudenken. Er argumentierte, dass der Kontext eines jeden Verbrechens in ein Urteil miteinbezogen werden müsste, da jeder Einzelne von uns mit verantwortlich sei für das Fortbestehen des Systems, in dem Kinder aufwachsen.  Außerdem sei die Inhaftierung nicht in jedem Fall sinnvoll und führe meist zu einer deutlich schlechteren Integration in die Gesellschaft. Ein enormes Problem ist die durch das bestehende System hervorgerufene Masseninhaftierung in den USA – während die amerikanische Bevölkerung 5% der Weltbevölkerung ausmacht, machen die in den USA Inhaftierten 25% aller weltweit Inhaftierten aus. Bedenkenswert sind dabei vor allem zwei erschreckende Fakten. Ersten führt Rassismus dazu, dass signifikant mehr Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe im Gefängnis sitzen, was nicht auf verschiedenen Raten von Delikten in verschiedenen ethnischen Gruppen beruht. Zweitens ist in bundesstaatlichen Gefängnissen in über der Hälfte der Fälle ein Drogendelikt Grund für die Gefängnisstrafe, was also auch nicht-gewalttätige Straftaten wie den Besitz von Marijuana beinhalten kann. Was das Thema für jeden einzelnen Bürger Amerikas interessant machen sollte, sind die enormen Kosten, die jeder einzelne Gefängnisaufenthalt mit sich bringt. Monts  Vorschlag für ein alternatives Rechtssystem ist die stärkende Gerechtigkeit statt der strafenden, was bedeutet, dass Individuen in irgendeiner Weise für ihr Verbrechen geradestehen müssen, allerdings nicht zwangsläufig durch Bestrafung in Form von Geld- oder Gefängnisstrafen, und vor allem unter vorheriger Betrachtung ihres Umfelds und des Kontexts.


Mit einem interessanten Thema haben Kristina und ich uns auch am Freitagabend auseinandergesetzt, als wir uns den Film „It’s kind of a funny story“ angesehen haben. Präsentiert wurde dieser von dem Club „You Mean More“, der neben dem Schaffen von Bewusstsein für psychische Störungen und Suizidprävention gegen die Stigmatisierung psychicher Krankheiten ankämpft. In der anschließenden Diskussion ging es um die Frage, wie die Krankheit dargestellt wurde und inwiefern damit Stigmata bekämpft oder die Aufrechterhaltung bestimmter Stereotypen begünstigt wurde. Während des gesamten Abends habe ich mich sehr an das Münster Psychokino erinnert gefühlt.

Am Samstag habe ich ein paar Besorgungen in San Francisco erledigt und mich dabei durch das riesige Westfield Kaufhaus treiben lassen, in das sogar ein weiteres Kaufhaus integriert ist. Und ich habe mich wahnsinnig erschrocken über diesen Anblick:


Ist die Weihnachtszeit etwa schon absehbar? Das kann man bei dem immer noch wunderschönen, warmen Sonnenscheinwetter schnell vergessen. So wurde die unangenehme Tatsache in mein Bewusstsein gerückt, dass über die Hälfte meines Semesters schon wieder vorbei ist. Time flies.

Am Sonntag haben meine Rotaract-Familie und ich uns auf Halloween vorbereitet und uns zum gemeinsamen Kürbis schnitzen getroffen. Das Resultat meiner ersten Kürbisschnitzerei (zumindest habe ich nur eine dunkle Erinnerung an das Aushöhlen eines Kürbisses in jungen Jahren und weiß nicht mehr, ob ich ihn damals auch zu einer Kürbislaterne gemacht habe) kann sich meiner Meinung nach sehen lassen!


Ansonsten war ich mittlerweile beim Hausarzt und nehme nun zwei Cremes und drei verschieden Tabletten, die mich in den ungünstigsten Situationen – wie mitten im Seminar – müde und zu nicht weniger günstigeren Zeiten – wie 2 Uhr morgens – wach  zu machen scheinen. Vielleicht ist das aber auch nur ein exemplarischer Placebo-Effekt, wer weiß. Zumindest geht es mir tausendmal besser! Ich habe gemerkt, dass ich nur nicht kratzen darf, wenn es doch mal juckt, denn das verursacht den Ausschlag. Diese Woche habe ich einen Allergietest gemacht und warte nun auf die Ergebnisse, die hoffentlich ergeben, was diese enorme Reaktion hervorgerufen hat.

Ich wünsche euch ein wunderschreckliches Halloween!

Dienstag, 21. Oktober 2014

The joy is in the journey – walk slowly.

Endlich komme ich dazu, wieder über meine Erlebnisse zu schreiben – da mein letzter Eintrag nun schon etwas zurückliegt, wird dieser Bericht wohl etwas länger…

Zunächst einmal ist in den vergangenen Wochen in Berkeley der Hochsommer ausgebrochen! Die letzten Wochen waren unglaublich heiß, bis zu 35°C warm ist es geworden. Das ist selbst für nordkalifornische Verhältnisse ungewöhnlich und führte zu einer allgemein wahrnehmbaren Trägheit. Heute hat es im Gegensatz dazu das erste Mal geregnet, was natürlich für die Wasserreserven ein Segen ist, ganz subjektiv aber weniger schön als der Dauersonnenschein.

Am Samstag vor zwei Wochen sind Faye und Jed nach Afrika aufgebrochen, um dort Claire zu besuchen. Doch vor ihrer Abreise sind Faye, Tristan, Angel und ich am Freitag noch zum Bay Area Circus Art Festival nach Alameda, eine Stadt in der Nähe Berkeleys, gefahren. Meine Gastfamilie ist nämlich in vielerlei Hinsicht sehr talentiert, unter anderem können Faye, Claire und Jed jonglieren und Einrad fahren. Das Circus Arts Festival bietet die Möglichkeit Workshops zu besuchen, sich auszutauschen, die Tricks anderer zu bestaunen - und die verschiedensten Dinge zu lernen! Ich saß zum ersten Mal auf einem Einrad (das mit dem Fahren ist noch so eine Sache), habe gelernt, wie man die Peitsche knallen lässt und mir wurden die Grundlagen des Jonglierens beigebracht.
Angel...
...und ich auf dem Einrad


schon die Kleinen haben fleißig geübt












zwei Artisten in der Abschlussshow
Zum krönenden Abschluss gab es noch eine Show, bei der Beiträge derer zu sehen waren, die etwas vorführen wollten. Obwohl die Künstler allesamt Laien waren und die Beiträge teilweise nur zwei Stunden zuvor eingeübt hatten, bekamen wir unglaubliche, akrobatische, ästhetische, anspruchsvolle und komische Tricks zu sehen. Begeistert hat mich die wertschätzende Atmosphäre und die Spontaneität der Gemeinschaft: zum Ende hin wurde die Bühne für spontane Freiwillige freigegeben, woraufhin ein junger Mann zum Mikrofon ging und erklärte, er könne leider keine Tricks mit seinem Körper vorführen – dafür aber mit seinem Mund. Daraufhin fing er an mit einem unglaublichen Talent zu beatboxen und nach und nach fingen einige der Zuschauer an zu seiner Musik zu improvisieren. Es war sehr besonders und wieder eine Erfahrung, die ich nie gemacht hätte, wenn ich meine Gastfamilie nicht kennen gelernt hätte.

Das restliche Wochenende war von Unternehmungen mit meinem Club geprägt – ich war ja am Anfang des Semesters auf der Suche nach Vereinen, denen ich mich anschließen könnte. Vor ein paar Wochen habe ich mich nun für zwei entschieden. Liebend gerne würde ich noch mehreren beitreten, aber das erlauben die Zeiten und die Zeit generell nicht.
Zum einen bin ich nun Mitglied bei Best Buddies, einer internationalen Non-Profit-Organisation, deren Ziel die soziale Integration von Menschen mit IDD ist (IDD sind intellectual and developmental disabilities, also geistige und Lernbehinderungen) beispielsweise durch die Förderung von Freundschaften zwischen Menschen mit und ohne IDD. Unsere Gruppe umfasst etwa 20 Mitglieder und dieses Semester wollen wir uns wahrscheinlich zweimal mit einer Gruppe von Erwachsenen mit IDD treffen und im Vorhinein Spenden dafür sammeln, damit unsere „Buddies“ nicht für die Unternehmungen zahlen müssen. Der Club teilt sich auf in drei Committes, und ich bin Co-Chair des Philanthropy Committee, das die Treffen mit unseren Buddies organisiert.

Außerdem bin Cal Rotaract beigetreten, dem größten Service-Club auf dem Campus, der auch weltweit einer der größten Rotaract Clubs ist. Im Gegensatz zu Best Buddies ist Cal Rotaract ein riesiger Club mit über 200 Mitgliedern. Der gesamte Club trifft sich aller zwei Wochen, um über vergangene und anstehende Events zu berichten, meist ist auch ein Rotarier als Gastredner eingeladen. Cal Rotaract teilt sich auf in drei Committees, die sich ebenfalls aller zwei Wochen treffen: das Local Committee, das Service-Events in und um Berkeley ausrichtet, das Interact Committee, das einen Stayover für Interact Mitglieder (gewissermaßen die Vorstufe von Rotaract) organisiert und das International Committee, das Service-Events für internationale Projekte plant. In letzterem bin ich Mitglied. Durch diese Clubstruktur und die vielen Mitglieder stellt Cal Rotaract unheimlich viel auf die Beine und mich begeistert dieser Enthusiasmus und die feste Überzeugung aller Rotaracter, gemeinsam einen Unterschied machen zu können. Insbesondere nachdem ich hier auch Gespräche mit Menschen geführt habe, die diese Einstellung schwarzmalerisch als naiv abtun, ermutigt das sehr. Neben Service ist Fellowship ein zentraler Aspekt in Rotaract Clubs. Da Cal Rotaract so groß ist, teilt sich das Officer Board in Familienoberhäupter auf und die Clubmitglieder können in die Familien aufgenommen werden – meine Familie sind die Silvesters, unsere Eltern sind Maddie und Boz, die auch die Co-Chairs des International Committee sind, sowie Lawrence und Sophie. Durch das Familiensystem lernt man einzelne Clubmitglieder besser kennen und verbringt unabhängig von den Events Zeit zusammen.

Die Silvesters
vor mir steht Maddie, daneben John (gewissermaßen Großvater der Silvesters),
neben mir Boz, Sophie und Lawrence
Am Samstag vor zwei Wochen war das erste Service-Event des International Committee, bei dem wir nach Emeryville, eine Nachbarstadt Berkeleys, gefahren sind, um dort bei VIDA im Lagerhaus zu helfen. VIDA ist eine Organisation, die Krankenhäusern Produkte abnimmt, die diese nicht lagern können und wegschmeißen müssten, und diese nach Lateinamerika verschifft, um dortigen Krankenhäusern Produkte von deren Wunschlisten liefern zu können. Da die Spenden der Krankenhäuser teilweise abgelaufene Produkte enthalten und nicht sortiert sind, haben wir Kiste für Kiste die Artikel aussortiert und nach Kategorien geordnet – und haben fünf Paletten voller Kartons abgearbeitet!

Sonntags war unser erstes Familientreffen, bei dem wir zusammen brunchen waren und die Sicht vom Campanile Tower aus bestaunt haben – so klar wie an dem Tag ist es selten, kein bisschen Nebel hat die Sicht auf San Francisco und die Bucht verklärt!


Links oben sieht man das Big C und rechts im Bild das Stadium
Anschließend sind bei den Family Games die Familien auf dem Memorial Glade gegeneinander angetreten und haben versucht bei Spielen wie Eierlaufen, Chubby Bunny oder Wasserbombenwerfen die meisten Punkt zu ergattern. Gewonnen haben wir diesmal nicht, hatten aber trotzdem wir eine Menge Spaß.
Meine Familie
...und nochmal

Eierlauf
und alle Family Games Teilnehmer


Neue Menschen habe ich am Montag darauf wieder kennen gelernt, als ein paar International Students zur Marina gejoggt sind. Dort angekommen war es bereits dunkel und wir konnten das Lichtermeer in der Bay genießen, um dann den Bus zurück nach Downtown zu nehmen. An einer Haltestelle stieg ein Fahrgast ein, ohne zu bezahlen, und wurde von der Busfahrerin aufgefordert, den Bus zu verlassen, was dieser nicht tat. Ein Fahrgast, der zwischen uns saß, wurde daraufhin immer lauter, wodurch sich ein dritter Fahrgast angegriffen fühlte, und plötzlich befanden wir uns mitten in einer Schlägerei, zu der immer mehr Freunde des dritten Fahrgasts hinzukamen, um diesen zu unterstützen, und nichts konnte die Schläger auseinanderbringen. Nach einem abrupten Ende, nicht ohne blutende Lippen, war der Auslöser, der Schwarzfahrer, noch immer im mittlerweile leeren Bus, alle anderen Fahrgäste waren bereits auf andere Linien ausgewichen. Die unbändige Aggression und der sinnlose Impuls, aus Prinzip zurückzuschlagen, haben mich wirklich erschrocken. Khoa, ein Student aus Vietnam, und ich haben bei einem gemeinsamen Essen bei einem Vietnamesen im sogenannten Asian Ghetto den Schock erstmal sacken lassen.

Am darauffolgenden Donnerstag durfte ich Angel zu einer Cocktailparty der Alumni Association begleiten. Diese Veranstaltung läutet jährlich das Homecoming Wochenende ein, bei dem Alumni und Eltern nach Berkeley (zurück)kommen, und bietet Vorsitzenden erfolgreicher Vereine die Möglichkeit Alumni zu treffen und Kontakte zu knüpfen, sowie vorzügliches Essen. Diese starke Verbindung der Alumni zu ihrer Universität ist ein weiterer großer Unterschied zu deutschen Universitäten.
 


Vorletzten Freitagnachmittag machte sich ein mit sechs Rotaractern, deren Gepäck und einer Menge Snacks vollgepacktes Auto auf den Weg nach San Diego zur Big West Conference 2014. Bei dieser alljährlichen Konferenz treffen sich alle Rotaract Clubs der Westküste aus Kalifornien und auch Kanada, Arizona und Mexiko. Nach einem Zwischenstopp in einem koreanischen Restaurant in Los Angeles, kamen wir dann nach Mitternacht auch tatsächlich in San Diego an. Reann, die mit dem anderen Auto aus Berkeley angereist war, und ich wurden von zwei Mädchen, die an der University San Diego studieren und ebenfalls Rotaracter sind, beherbergt und durften auf dem glücklicherweise mit Teppich belegten Boden ihres Doppelzimmers schlafen. So habe ich nun auch mal einen typischen amerikanischen Dorm von innen gesehen. Der Campus der USD ist wundervoll – viel weitläufiger als der in Berkeley, ist er gesäumt von Palmen und bebaut mit anmutigen Gebäuden,  die mit Ornamenten verziert und mit Zwiebeltürmen versehen sind.
so ungefähr sehen die Gebäude auf dem gesamten Campus aus
Lawrence, Eddi, Alice, John und Billal

...und das ist die Sicht von dort aus!

Der Samstag war straff durchgeplant – neben drei Plenumssitzungen konnten wir uns für vier Workshops entscheiden. Manche Reden haben mich mehr, manche weniger beeindruckt, doch einige waren sehr inspirierend und haben einige Gedankenstöße angeregt. Auf den Punkt gebracht hat beispielsweise Steven Snyder die Notwendigkeit, dass Rotary jünger, weiblicher, diverser und dadurch moderner, offener und ideenreicher werden muss. Jeremy Poincenot, der während seiner Collegezeit erblindete, vermittelte, was er selbst gelernt hatte; sinngemäß: Fokussiere dich auf das, was du hast und was dir möglich ist, statt auf das, was du verloren hast oder nie hattest. Interessant waren die Einblicke in internationale Projekte von Rotary und Tipps für erfolgreiches Fundraising, Führungsstile und Professional Networking – in letzterem wurden wir belehrt, dass wir besser mit Visitenkarte aufgetaucht wären, was manche Teilnehmer auch gemacht hatten, da ein großer Bestandteil der Konferenz aus mingling bestand, also Kontakte knüpfen. Das habe ich zwar getan, doch eher auf einem freundschaftlichen als geschäftlichen Level, und das war auch in Ordnung so.
hinter dieser Kulisse wurde der Lunch geboten

Neben mir Alessio, Lawrence, AD, Reann und Boz
...und alle Teilnehmer der BWC 2014!


Abends haben wir Rotaractor aus Berkeley in einem heiß begehrten mexikanischen Restaurant die vermutlich besten Burritos in ganz San Diego, vielleicht sogar Kalifornien, gegessen und haben den Tag am Strand ausklingen lassen, umgeben von Felsen und den Blick auf das Meer genießend. Da die Wege in San Diego eher lang sind, konnten Reann und ich glücklicherweise bei einem Freund von Lawrence unterkommen, der auf dem Campus der University of California, San Diego in einem der schier unendlich vielen Wohnhäuser für Studierende wohnt.

Bevor es wieder nach Berkeley zurück ging, haben einige von uns den Vormittag im Gaslamp-Viertel verbracht, in dem an dem Tag eine Autoausstellung war.


John, James, Lawrence, dessen Freund und Billal
Zwei Unterschiede die Ess- und Trinkkultur betreffend sind mir an diesem Wochenende nochmals deutlich bewusst geworden - vor allem im Austausch mit dem anderen anwesenden Europäer, Alessio aus Italien, und auch schon vorher im Austausch mit meinem anderen italienischen Freund, Davide. Wenn wir hier zusammen essen gehen, dann wird während des Essen nicht viel gesprochen, und nachdem man entsprechend schnell aufgegessen hat, wird sofort bezahlt und das Restaurant verlassen. Für gemütliche Esser wie Alessio und mich bedeutete dies, dass wir bei allen Mahlzeiten noch vor unserem letzten Bissen wieder zum Gehen angehalten wurden. Was die "Trinkkultur" angeht, so ist ein Glas Wein beim Essen oder eine Flasche Bier am Abend, zumindest auch aus rechtlichen Gründen für die unter 21-jährigen, unüblich, was dazu führt, dass das seltene Trinken als absolutes Highlight wahrgenommen wird, entsprechend die gesamte Aufmerksamkeit erfordert und nicht nur nebenher während anregender Gesprächen geschehen kann. Auch das war für Alessio und mich seltsam.
Die Rückfahrt verlängerte sich durch einen Stau bei L.A. und einen Zwischenstop in einem amerikanischen Diner, wie man es aus Filmen kennt, um einiges, doch die Zeit wussten wir mit Gesprächen über interkulturelle Vergleiche zu füllen. Johns und Lawrences Eltern kommen aus Vietnam, Eddis Eltern aus Südkorea, Alices Eltern aus China und Billals Eltern aus Pakistan. Da niemand von ihnen jemals zuvor in Europa gewesen war, brannten sie darauf, mehr über die europäische und insbesondere die deutsche Mentalität zu hören. Was essen die Deutschen? Was denken die Deutschen über ihre Geschichte? Wie gut hat die Wiedervereinigung funktioniert? Stimmt es, dass die Deutschen am unromantischsten unter den Europäern sind? Schwer zu beantworten waren für mich auch Fragen wie die nach dem größten Unterschied zwischen Frauen und Männern in Deutschland – alles, was mir nach ein wenig Bedenkzeit eingefallen war, stelle sich als universal und nicht spezifisch deutsch heraus. Generell fiel es mir schwer, deutsche Denkweisen, Eigenarten und Charakteristika zu benennen und dabei zu differenzieren zwischen meinen Meinungen und Meinungen, die auf „die Deutschen“ zu generalisieren wären. Da mir Verallgemeinerungen generell widerstreben, konnte ich meinen Begleitern kaum allgemeingültige, eindeutige Antworten geben, doch sie meinten, trotzdem viel über Deutschland gelernt zu haben. Überrascht war ich, als wir über Beziehungen sprachen und darüber, ob unsere Eltern bestimmte Vorstellungen haben, wie unser Lebenspartner sein sollte. Ich war die einzige in der Runde, die von sich behaupten konnte, dass ihre Eltern mit jedem Partner glücklich wären, der mich glücklich machen würde, während bei anderen Eltern Aspekte wie Nationalität, Ethnie oder Bildungsgrad eine grundlegende Rolle zu spielen scheinen.

Los Angeles, leider diesmal nur aus der Ferne
 











So neigte sich ein erlebnisreiches Wochenende schon wieder dem Ende, die nächste Woche verging mit Kursen, Sport und Clubmeetings wie im Flug, und nun ist auch das nächste Wochenende schon wieder vorbei!
Kurz vor Start des 5K unter dem Sather Gate
Gestern fand der große, von Cal Rotaract präsentierte End Polio Now 5K Lauf statt. Für die Kampagne End Polio Now arbeitet Rotary International schon seit Ende der 70er Jahre, und seitdem konnte Polio dank der international durchgeführten Schluckimpfungen in vielen Ländern der Welt ausgerottet werden. Endemisch ist Polio nun nur noch in drei Ländern und das Ziel, Polio als zweite Krankheit in der Geschichte der Menschheit auszutilgen, rückt näher. Mehr als 150 Menschen hatten sich  registriert, um eine 5-Kilometer-Strecke quer über den Campus zu laufen, von der Startgebühr werden weitere Impfungen finanziert. Am Freitag zuvor hatten wir vom International Committee uns im kleinen Kreis bei Shelby getroffen und ein paar Informationsplakate für den Lauf angefertigt, nachdem ich zuvor mit Kristina in einem schönen Café und mit Angel wieder mal beim deutschen Stammtisch war.

Unser wunderbarer Informationsstand
Alessio während er mich motiviert, immer mehr Menschen zu überholen

Wir sind unter 30 Minuten geblieben :)
Platzierung 57 & 58!

Am Samstag haben Emmanuel und ich einen wunderbaren Tag in San Francisco verbracht. Während er, aus San José kommend, noch im Verkehr feststeckte, habe ich mich mit einem Iced Coffee (alle Kaffeekreationen kann man in den hiesigen Cafés auch als geeiste Version bestellen, ein Trend, der gerne nach Deutschland überschwappen kann, wenn es nach mir geht) auf eine Bank hinter dem Ferry Building gesetzt, mein Buch aufgeschlagen und innegehalten. Das Stimmengewirr des wöchentlichen Farmers‘ Market vermischte sich mit den Klängen eines Musikers, die Sonne strahlte mir ins Gesicht, und plötzlich überkam mich ein unglaubliches Glücksgefühl. Schlagartig wurde mir mal wieder deutlich bewusst, was ich untergründig ständig verspüre: Ich bin angekommen - was ich daran erkenne, dass ich den Stadtplan nicht mehr auspacken musste. Ich lebe in eine der schönsten Gegenden, nur wenige Minuten entfernt von einer der aufregendsten und lebendigsten Städte der Welt, in der noch soviel zu entdecken bleibt. Ich fühle mich zufrieden und entspannt wie lange nicht mehr, erlebe so viel und genieße jeden einzelnen Tag. Dieses überwältigende Glücksgefühl hat mich den ganzen Tag begleitet.


Emmanuel und ich sind nach einer Stärkung mit Smoothies im Pier 39 den Telegraph Hill hinaufgelaufen und haben für die atemberaubende Aussicht auf die Bucht San Franciscos keine Worte finden können. Ewig sind wir um den Coit Tower, der leider schon geschlossen hatte, herumgelaufen und haben beobachtet, wie die Stadt, das Meer, die Golden Gate Bridge, Treasure Island und die Bay Bridge von der untergehenden Sonne in warme Farben getaucht wurden, schließlich in der Dunkelheit versanken und ihre Lichter erstrahlen ließen.












 

Buchstäblich hineingestolpert sind wir in das Little Italy San Franciscos, North Beach, auf der Suche nach einem Restaurant, und sind schließlich fündig geworden in einer fabelhaften mexikanischen Taco Bar, die köstlichen Weißwein aus Napa Valley anbot und in der, ganz unerwartet, guter, alter Hip Hop gespielt wurde. Danach wollten wir uns in einer Bar an einen der vielen Tische auf dem Bürgersteig setzen, doch es war schier unmöglich, einen Platz zu bekommen. Gerade als wir aufgeben wollten, konnten wir doch einen Tisch ergattern und haben bei einem leckeren Cocktail das Leben auf den Straßen beobachtet. Das ganze Viertel war voll, vielfältig und laut und wir wollten am liebsten gar nicht mehr zurückfahren und konnten uns schließlich darauf einigen, zumindest bald wiederzukommen.













Nach meiner sportlichen Betätigung am Sonntagmorgen habe ich mir den Berkely Flea Market angesehen, ein sehr diverser, wöchentlich auf dem Gelände einer BART-Station stattfindender Flohmarkt. Während die überwiegend von Händlern betriebenen Stände weniger interessant, da auf allen Straßenfesten vorzufindend, waren, so war die Atmosphäre doch sehr entspannt und besonders - ein paar Männer hatten ihre Trommeln, teilweise ein komplettes Schlagzeug, mitgebracht und improvisierten darauf die fesselndsten Rhythmen.


Im Elmwood Viertel habe ich danach einen mexikanischen Pralinenhersteller gefunden, der einen Milchshake aus mexikanischer Schokolade anbot, und habe, einen solchen genießend, auf einer Bank sitzend und von der Sonne bestrahlt gelesen. Neben der öffentlichen Bibliothek, auf die man kostenlos zugreifen kann, wenn man in Berkeley wohnt, habe ich auch eine Mitgliedschaft in der Universitätsbibliothek abgeschlossen und bin nun mit zahlreichen, nichtuniversitätsbezogenen Büchern ausgestattet. Nachdem ich einen sehr bewegenden Jugendroman gelesen habe, habe ich nun ein Buch von Nick Hornby begonnen und freue mich sehr, wieder mehr zu lesen.

Wirklich nervig und einschränkend, wenn ich auch versuche, das nicht zuzulassen, ist ein Ausschlag, der mich nun seit mehr als zwei Wochen begleitet, sich verändert und trotz Salbe und Tabletten von zweimaligen Arztbesuchen schlimmer wird. Von den Beinen über die Arme breitet er sich immer weiter aus und juckt ununterbrochen. Die Nächte schlaf ich kaum noch durch, da ich zwischendurch vom Kratzen aufwache; die vorletzte Nacht war besonders schlimm und gefühlt weniger Schlaf mit Unterbrechungen als vielmehr ein dauernder Halbschlaf mit kurzen Schlafphasen. Entsprechend müde und unkonzentriert bin ich mittlerweile tagsüber. Bisher wird eine allergische Reaktion vermutet, jedoch bleiben die Ärzte und ich ratlos, worauf. Ich hoffe, dass die nächsten Tage Besserung mit sich bringen.

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Go Bears!

Ich war bei meinem ersten Football Game!
Am Freitag hat das International Office eine Wanderung zum Big C angeboten, an der Bianca und ich teilgenommen haben. Bianca habe ich am Mittwoch kennen gelernt, als wir endlich unsere ID bekommen haben und dafür Fotos angefertigt werden mussten. Das Big C ist ein gelber Betonblock, der 1905 von Cal Studierenden auf einem Hügel errichtet wurde und von dem aus man einen fabelhaften Blick auf den Campus und die Bucht hat. Den kleinen Aufstieg ist der Blick absolut wert, doch vor allem dort oben sieht man der Natur an, wie sehr sie unter der Trockenheit leidet. Kalifornien befindet sich zurzeit in einer der schlimmsten Trockenzeiten seit Jahrzehnten, wenn es nicht bald regnet und die Menschen ihren Wasserverbrauch nicht senken, ist wahrscheinlich in etwa anderthalb Jahren kein Trinkwasser mehr verfügbar. Für einige Städte in Kalifornien trifft das sogar jetzt schon zu.


Beim Anblick des Stadiums, auf das man auf dem Weg zum Big C schaut, ist Sasha, eine der Student Advisors, jedenfalls eingefallen, dass sie zwei Tickets für das Footballspiel gegen Colorado zu vergeben hat. Bei der kleinen Verlosung hatte ich tatsächlich Glück, und so sind Davide, ein Masterstudent aus Italien, und ich am Samstag mit Sasha und ihrem Ehemann ins Memorial Stadium gegangen. Die Stimmung war gigantisch! Jed hatte mir zum Glück am Freitagabend noch die Regeln erklärt, und nach einer Weile habe ich das Spiel auch verstanden – ich hatte immerhin vier Stunden dazu Zeit, solange hat das Spiel nämlich gedauert. Die reine Spieldauer beträgt dabei nur 60 Minuten, aufgeteilt in zwei Halbzeiten zu je zwei Blöcken, doch es wird zwischendurch sehr viel abgepfiffen und diskutiert. In dieser Zeit wird dann Werbung geschaltet, es werden Preise für Zuschauer vergeben, kleine Showeinlagen oder in der Halbzeit auch größere eingelegt und Schecks vergeben und Menschen für alle möglichen Dinge ausgezeichnet. Wir hatten wirklich Glück, denn die Cal Bears haben heute gewonnen, und das nach einem unglaublich spannenden, sehr, sehr knappen Spiel und erst in der Verlängerung (59-56!). You tell the whole damn world this is bear territory!
So sieht ein Fraternity Party vor einem Football Game aus.
Sasha, Davide und ich




Das Spektakel in der Halbzeit


Am Sonntag sind Kristina, ein paar ihrer Freunde und ich nach San Francisco in den Golden Gate Park gefahren, um dort ein Festival zu besuchen. Der Name „Now and Zen“ implizierte für mich gute Musik, außerdem war es, wie viele Konzerte und Veranstaltungen in San Francisco, kostenlos. Ich hätte mich wohl besser informieren sollen, es handelte sich nämlich um das alljährliche Festival eines Radiosenders. Wir hatten einen schönen Tag, die Sonne schien uns ins Gesicht, die zahlreich erschienenen Menschen saßen auf Picknickdecken und dementsprechend war die Stimmung gut und entspannt. Doch wir waren uns einig: besonders umgehauen hat es uns nicht. Mat hat es besonders schön formuliert: „Well, there is nothing about the music to actively dislike.“ Wie das eben so ist mit der Musik, die im typischen Radiosender läuft. Was mich allerdings auf die Palme trieb war die Playlist, die der Veranstalter in tatsächlich jeder Pause zwischen den Bands abspielte!

eingebettet in den Park das Festivalgelände
Mat, Dorothea, Xenia und Kristina (Malik fehlt)
So war es nicht schlimm, am späten Nachmittag einen Grund zu haben, wieder nach Berkeley zu fahren, nämlich um dort mit meiner Gastfamilie essen zu gehen. Der Anlass war Fayes Geburtstag am Freitag und Yvonnes Geburtstag am Samstag, und so fuhren wir an die Marina, um dort mit Jeds Bruder und dessen Ehefrau mit Blick auf die untergehende Sonne hinter San Franciscos Skyline die zwei Geburtstage zu feiern. Am Freitag hatte Faye ein paar Freunde eingeladen, samstags war Yvonnes Nichte zu Gast und am Sonntagabend kamen Nachbarn zu Besuch – so wurde im Grunde das ganze Wochenende lang gefeiert und es gab - ganz zu meiner Freude - eine Menge Ice cream cake.

Wer Balken aus Bildern entfernen kann, ohne dass man dies bemerkt, möge sich bei mir melden und helfen, es nimmt dem Bild doch ein wenig die Romantik ;)

Gestern haben Davide und ich dann den „Touchdown Monday“ wahrgenommen - im Student Store gibt es montags nach den gewonnen Spielen, abhängig von der Anzahl der Touchdowns, Rabatte. Danach waren wir im BurgerMeister essen – auf dieses Wortspiel ist anscheinend nicht nur der Imbiss in Leipzig gekommen, doch in Berkeley hätte ich es nun nicht erwartet.

Schließlich habe ich heute meinen ersten midterm geschrieben. Zwar kann ich noch nichts über das Ergebnis sagen, aber mein Gefühl ist nicht allzu schlecht, und viel wichtiger: das Lernen war viel entspannter als in Deutschland. Vielleicht sehe ich das am Ende des Semesters anders, aber bis jetzt sagt mir das System mit den Zwischenprüfungen viel eher zu als eine Monsterprüfung am Ende des Semesters – es war mir viel schneller möglich, mir einen Überblick über die Themen zu verschaffen und in der Prüfung selbst herrschte nicht die offizielle, gewichtige Atmosphäre wie bei den Semesterabschlussprüfungen. Sehr erfreulich und auch ein bisschen überraschend fand ich die Zusammenarbeit der Kursteilnehmer im Vorhinein. Die meisten Dozenten nutzen eine Internetplattform, um ihre Folien hochzuladen, Material zur Verfügung zu stellen, Mitteilungen zu senden und Noten zu veröffentlichen. Außerdem werden dort auch die Hausaufgaben abgegeben, Diskussionen in Foren und Chats geführt und es gibt die Möglichkeit, gemeinsame Dokumente zu starten. Dies wurde aktiv genutzt, und der Study Guide wurde von allen gemeinsam beantwortet. Konkurrenz, die ich um ehrlich zu sein erwartet hatte, war nicht im Geringsten zu spüren, ganz im Gegenteil versuchten alle, sich zu helfen. Ähnliches habe ich auch in anderen Kursen erlebt, eine Dozentin leitete ein, die Lösung für die Hausaufgaben online zu diskutieren. Anders sieht es womöglich in den Kursen aus, bei denen eine Normalverteilung über die Noten gelegt wird.
Nun bin ich gespannt auf das Ergebnis und wie es weitergeht. Es bleibt aufregend! (: