Montag, 13. Juni 2016

Ein Wochenende im Heiligen Tal mit ärgerlichem Ende

Am letzten Wochenende habe ich einen Ausflug in das Heilige Tal gemacht. Nachdem ich mir das Boleto Turistisco für 70 Soles gekauft hatte, hier hatte sich wieder mal meine ISIC gelohnt, fuhr ich in einem Collectivo nach Pisac. Am Vorabend hatte ich gelesen, dass die Touristenbusse Pisac meist am Sonntag wegen des bekannten und größten Sonntagsmarkts in der Region anfahren, also hatte ich spontan meine Route geändert, um den beschriebenen Massen auszuweichen. Das erwies sich als goldrichtig - der Markt erstreckte sich zwar über den gesamten Hauptplatz des kleinen, aus nur wenigen Blöcken bestehenden Dörfchens, doch neben ein paar Hippies - Pisac hat sich mittlerweile als spirituelles Zentrum etabliert - gingen nur wenige Touristen durch die Stände hindurch. Da die Maybe-Alpaka-Pullover und Mützen sowie auch die bunten Ketten genau so aussahen wie auf jedem anderen Markt, stärkte ich mich noch mit einem Empanada aus einem riesigen Lehmofen und begann dann die lange, steile Steintreppe am Dorfende hinaufzusteigen.




An Terrassen vorbei führten die hohen Stufen den Berg hinauf, und es bot sich ein fantastischer Blick auf das Tal, bis ich schließlich nach einer knappen Stunde anstrengenden Aufstiegs die Ruinenanlage erreichte. Durch ein Tor hindurch und ein paar Ruinen vorbei gelangte ich zur Hauptanlage, wo ich völlig überracht feststellte, dass ich abgesehen von zwei anderen Menschen, die gerade umkehrten, alleine war. Nur ein Mitarbeiter befand sich in dem Tempel und bot mir an, mich freiwillig ein wenig herumzuführen, was ich dankend annahm. Er zeigte mir in dem ehemals zeremoniellen Zentrum der Stätte neben dem astronomischen Instrumentarium ein paar interessante Details wie Steine, die zu bluten schienen, wenn man ihren Staub mit Feuchtigkeit vermischte, Steine, die wie Ameisen oder Enten angeordnet waren und in der Ferne geplünderte Inkagräber am gegenüberliegenden Berg. Neben der Bewunderung für die grandiose, exakte und fugenlose Architektur, die der im Qorikancha sehr ähnlich war, und dem ausgetüftelten Kanalsystem, wurde mir hier die Naturverbundenheit der Inka nochmals bewusst. Außerdem schienen die hohen Tore für mich im Widerspruch dazu zu stehen, dass die Inka kleine Menschen gewesen sein sollen.










Durch die weiteren Ruinen ging ich zurück und begann nach einer Stunde den Abstieg, der mich überraschenderweise über einen anderen Weg wieder zurück führte, und nach dem trotz der Kürze wieder mein Knie schmerzte. In einem sehr bunten Backpackercafé kehrte ich ein, genoss das Mittagsmenü aus Kürbissuppe, Lasagne und Brownie, und entschied mich dann noch für einen kurzen Spaziergang durch den botanischen Garten.








Auf der Suche nach einem Collectivo nach Urubamba wurde ich jedes Mal zu einer anderen Ecke geschickt (ich habe oft das Gefühl, dass Peruaner nicht zugeben können, wenn sie nicht wissen, wo sich etwas befindet - lieber schicken sie einen in die nur vermeintlich richtige Richtung), doch schließlich fand ich die richtige Ecke, stieg in ein überfülltes Collectivo und verbrachte die Hälfte der Fahrt auf dem Boden des Fahrzeugs. Nach nicht mal einer Stunde erreichten wir Urubamba, wo ich zunächst zum Plaza de Armas lief, mir in einem nahegelegenen Markt einen Saft kaufte und derweil nach der Straße des Hostels fragte, das ich mir herausgesucht hatte. Nachdem ich erfolgslos in vielen Geschäften gefragt und durch viele Straßen gestreift war, setzte ich mich in eines der wackligen Motortaxis, bei dem ich ständig fürchtete, gleich aus der offenen Tür zu fallen, und fuhr zu einem anderen Hostel, das glücklicherweise noch ein Zimmer für mich hatte - wieder mal hatte ich das Glück, für ein Mehrbettzimmer zu zahlen, aber alleine zu bleiben. In der Lobby traf ich eine Gruppe von Amerikanern aus Los Angeles und nach einem spannenden Meinungsaustausch über Trump und Clinton schauten wir uns noch den albernen Film Get Smart an und gingen, alle ermüdet von unseren Touren, relativ früh ins Bett - an diesem Abend wäre sowieso nicht viel losgewesen, denn in Peru war am Vortag der Stichwahl der Alkoholausschank verboten.



Der Sonntag begann mit einem erstaunlich leckerem Frühstück, bei dem es neben Brötchen mit Butter und Marmelade auch Eier und Joghurt mit Müsli gab, und bei dem ich abermals mit zwei Amerikanern, diesmal aus Texas, ins Gespräch kam. Um den Tag voll auszunutzen, fuhr ich um kurz nach 8 Uhr mit einem Bus Richtung Chinchero und stieg wieder an der Kreuzung nach Maras und Moray aus, um dort ein Taxi nach Moray zu finden. Diesmal traf ich keine anderen Reisenden an und die Taxifahrer wollten partout nicht weniger als 20 Soles verlangen - als plötzlich ein Taxifahrer herbeisauste und schrie, er verlange nur 5 Soles. Ich stieg ein, auf der Rückbank saßen bereits zwei Peruaner, und währenddessen entfachte ein böser Streit zwischen den Taxifahrern. Auf der Fahrt nach Moray wurden aus 5 dann doch 10 Soles, da der Preis auf einmal nur pro einfacher Strecke galt und ich die Rückfahrt zahlen müsse, auch wenn ich sie nicht antrat. In der Stätte Moray angekommen, hatten wir zunächst einen grandiosen Blick auf die kreisförmig angelegten Terrassen, die einem Amphitheater ähneln, wobei ich kurz bei einer auf deutsch geführten Tour hinhorchte und so mitbekam, dass dieser Part restauriert war - da jedoch kein Taxi oder Tourbus auf mich wartete, spazierte ich über eine Stunde durch die Anlage und Terrassen und sah dabei viele der weniger gut erhaltenen, aber originalen Terrassen. Die Inka haben diese Terrassen vermutlich als Laboratorium verwendet und die vorherrschenden Mikroklimata auf den Ebenen genutzt, um optimale Anbaubedingungen bestimmter Pflanzen herauszufinden.





Den Weg zurück zur Kreuzung wanderte ich entlang. Nachdem ich die Straße verlassen hatte und den Wanderweg betreten hatte, umgab mich absolute Stille, nur das schwache Rascheln der Getreidefelder im Wind war noch zu hören. Vor mir liefen zwei Engländer, doch nachdem diese abgebogen waren, sah ich keine Menschenseele mehr. Der Tag war sonnig, der Himmel blau, und um mich herum erstreckte sich weit und hoch und majestätisch die Landschaft aus Feldern, Tälern und den Anden. Es war unglaublich schön. Dass ich einmal einen falschen Weg wählte, was ich dank Onlinekarten irgendwann merkte, störte mich überhaupt nicht - mit Blick auf ein saftig grünes Tal marschierte ich quer durch Felder, genoss die Schönheit und Stille, und kam letztendlich wieder auf den Weg, der in einem großen Bogen in das Tal hinein und nach Maras hinaufführte.








Dieses Dorf erschien mir sogar kleiner als Pisac, und interessehalber machte ich durch die vielen Straßenstände hindurch einen Schlenker zum Plaza Mayor, der von einer außerordentlich heruntergekommenen Kirche flankiert wurde. Von Maras zog sich der Weg hinauf bis zur Hauptstraße und bot einen schönen Blick zurück ins Tal.







Nach insgesamt über zwei Stunden war ich an der Straße nach Chinchero angelangt und konnte mich mit in ein Taxi setzen, in dem schon wieder zwei Amerikaner saßen, diesmal allerdings aus San Francisco. In Chinchero ließ ich mich absetzen und ging die steilen Straßen bis zur hiesigen Stätte hinauf. Da die auf Inkaruinen gebaute Kolonialkirche wegen den Wahlen geschlossen hatte, setzte ich mich auf eine der Terrassenebenen und ließ während einer Pause den Blick über die weiten Gärten von Chinchero schweifen, die dem Inka-Herrscher als Sommerresidenz gedient hatten. Während ich danach durch die weitläufige Anlage spazierte, gefiel mir dieser Ort immer besser. Über einen Felsen, der als natürlicher Tempel galt (wie ich abermals bei einer herannahenden Tour aufschnappte) ging es unterhalb der Terrassen wieder in Richtung des Dorfs. Wieder einmal verlief ich mich dabei und musste, um nochmal zur Anlage zu gelangen, nochmals die steile Straße hinauf - die zusätzlichen Höhenmeter im Vergleich zu Cusco, hier etwa 3800 Meter, bemerkte ich dabei durchaus.





Da ich mittlerweile müde war, hatte ich nicht mehr viel Lust, lange über den Sonntagsmarkt zu spazieren, und entschied mich, mich in den nächsten Bus nach Cusco zu setzen. Dieser setzte mich an der Haltestelle ab, und durch untouristische, überfüllte Straßen lief ich mittlerweile erschöpft zurück zu meiner Wohnung. Auf meinen Handy schaute ich nach, wohin ich gehen musste, und steckte es für einen Moment in die Vordertasche meines Pullovers, in dem ich zuvor aufgrund der Kälte meine Hände gehabt hatte. Gedankenverloren betrachtete ich die Straßenverkäufer, als ich auf einmal heftig angerempelt wurde, sodass ich sogar gegen die Person hinter mir gedrängt wurde, die ich irritiert ansah. Ich ärgerte mich, lief weiter, griff in meine Vordertasche - und mein Handy war weg. Sofort verstand ich, was passiert war, wirbelte herum, aber ich hatte den Mann, der mich angerempelt hatte, nicht eine Sekunde angesehen und niemand verhielt sich auffällig. Ziellos sprach ich ein paar Personen an, ob sie etwas gesehen hätten, doch diese lächelten nur, zuckten mit den Schultern und meinte, sie hätten nichts gesehen. Verzweifelt und mit zitternden Händen lief ich zu zwei Polizisten auf der anderen Straßenseite, die auch ganz aufgeregt wurden, als ich ihnen erzählte, dass der Vorfall sich gerade eben ereignet hatte - und wussten auch nicht so recht, was sie tun sollten. Einer hatte die gute Idee, mein Handy anzurufen - doch es war bereits ausgeschaltet. Ich eilte zu meiner Wohnung, versuchte es zu orten und zu sperren - doch da keine Verbindung zum Internet existierte, brachte das nichts. In meiner Ohnmacht änderte ich wenigstens meine Passwörter und stapfte dann zur Polizei. Wieder wurde ich von jeder Person an eine andere Adresse verwiesen, denn die Tourismuspolizei befand sich nicht mehr dort, wo sie laut Karten sein sollte, was in meiner Verfassung wirklich ärgerlich war, sodass ich schließlich bei einer Frau im Laden losheulte, die mich sofort in den Arm nahm und mir die tatsächliche Adresse mitteillen konnte. Der Taxifahrer, der mich schließlich dorthin fuhr, baute mich ebenfalls auf und versuchte mich zu trösten, und auch die Polizisten waren alle sehr nett - was ich nach all den Geschichten um Machtgehabe und Korruption nicht erwartet hatte. Etwa einer Stunde befragte mich ein Beamter, ließ mich das Protokoll und die Anzeige unterzeichnen und versprach, der Sache nachzugehen und sich bei Neuigkeiten bei mir zu melden. Ich hatte mir von vornherein keine Hoffnungen gemacht, dass die Polizei den Täten finden würden, jedoch hatte ich die leise Hoffnung, dass meine Sperre bereits wieder angegangen war, als der Dieb mein Handy erwischt hatte und jemand es gegebenfalls als gefunden bei der Polizei abgeben würde. Mittlerweile habe ich realisiert, dass es wahrscheinlich innerhalb von Minuten geknackt und bereits wieder verkauft war. Auf der Straße, wo es mir geklaut wurde, befindet sich wohl direkt ein Schwarzmarkt für Handys. Mittlerweile haben mir viele Peruaner erzählt, dass sie diese Ecke auch meiden oder dort sehr vorsichtig sind. Es ärgerte mich weniger wegen des materiellen oder ideellen Werts - alt und angeknackst war es ohnehin, und die letzte Sicherung hatte ich am Freitagabend gemacht, also fehlten nur die neuesten Handyfotos und ein paar Notizen. Nein, was mich wirklich ärgerte war das Abhandenkommen aller Funktionen, von denen ich mich, und auch dieses Eingeständnis ärgerte mich, mittlerweile nahezu abhängig gemacht hatte und für die ich nun mühsam Alternativen finden musste. Keine Möglichkeit zur schnellen Kommunikation vor Ort und mit Freunden in Deutschland, kein Wecker, kein Wörterbuch, kein Währungsrechner, keine Karten (auf Wegen ohne Beschilderung, wie zwischen Moray und Maras), kein Internet (um kurzfristig nahegelegene Hostels zu recherchieren, wie in Puno) und keine Möglichkeit, unterwegs Notizen, Empfehlungen und Blogeinträge anzufertigen. Und was mich zusätzlich ärgerte, war, dass mein Sicherheitsgefühl nun angeknackst war und ich ein grundlegendes Misstrauen entwickeln würde. Und dass ich geglaubt hatte, auf Diebstähle aller Art vorbereitet zu sein (Anspucken, Ablenkung durch Überschütten von Sauce, etc.), und in dem Moment trotzdem nicht gemerkt hatte, was passiert war. Frustriert und immer noch geschockt stapfte ich zurück in die Stadt und ging in eine Pizzeria, die gemütlich war und gute Pizzen servierte, doch nach den Ereignissen der letzten Stunden war ich nun vollends erschöpft und war froh, am Ende des Tages in mein Bett zu fallen.

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