Donnerstag, 16. Juni 2016

Besuche weiterer Inka-Stätten und meine Workshop-Erfahrungen mit den jungen Müttern

In der vergangenen Woche habe ich mit den sechs- bis zwölfjährigen Kindern gearbeitet, deren Mütter frühere Bewohner des Casa Mantay sind und nun in der Lederwerkstatt arbeiten. Die Kinder kommen nachmittags aus der Schule und haben dann ein Nachmittagsprogramm aus Hausaufgabenbetreuung, Lernen oder anderen Aufgaben, Nachmittagssnack, Spielen und einer weiteren Lerneinheit bis zum Abendessen. Für mich ist das insofern anstrengender, als ich im Garten Fangen und Verstecken spielen muss und den Kindern Rede und Antwort stehen muss, aber dafür werde ich sprachlich mehr gefordert und habe das Gefühl, bei den Hausaufgaben tatsächlich unterstützen zu können. Eine Lehrerin betreut die Kinder und dadurch dass die Altersspanne so groß ist, scheint es ihr zu helfen, wenn noch eine weitere Person da ist. Die Kinder sind großartig, wenn auch sehr vorlaut, wild und manchmal ein bisschen frech. Sie sind den Umgang mit den vielen Freiwilligen gewohnt, nennen mich voluntaria und nutzen aus, dass ich manche Dinge noch nicht weiß - beispielsweise ließ sich die Älteste am Montag von mir Materialien aus dem Schrank aushändigen und tat so, als wäre das normal, dabei bekam ich im Laufe der Woche mit, dass die Kinder ihre eigenen Materialen haben, ganz schön ausgefuchst. Interessant finde ich auch die Dynamik zwischen den Kindern, wenn sie beispielsweise anfangen, über die Wahlen zu diskutieren und sich über die Kandidaten streiten und man ganz genau die Argumente der Erwachsenen heraushört, oder wenn sie sich ärgern wollen und sich die Namen derer Väter ausdenken - die meisten kennen diesen nämlich nicht.

Am Montag und Freitag habe ich außerdem zwei Workshops für die Mütter vorbereitet. Die Leiterin hatte sich etwas zur Thematik Selbstwert gewünscht, und ich hatte mir ein paar Übungen und Impulse dazu überlegt, die ich nach wie vor nicht schlecht finde - jedoch ging der erste Workshop erstmal nach hinten los. Ich hatte erwartet, dass man mit den Mädchen schon verbal arbeiten kann, doch wenn ich mehr als zwei Minuten am Stück redete, kippte die Aufmerksamkeit. Außerdem hatte ich gewisse Grundlagen vorausgesetzt, die augenscheinlich fehlten, beispielsweise das Benennen von Stärken oder die Fähigkeit, Komplimente zu machen. Nach viel Überlegen fiel den Mädchen nur Fernsehen als Stärke ein, das Konzept einer Stärke blieb für sie abstrakt, und was sie aneinander schätzten oder toll fanden, konnten sie ebenfalls nicht formulieren. Ich nahm als wichtige Lernerfahrung für mich mit, dass man sicherlich auch durch die unterschiedliche Sozialisierung in Deutschland und Peru nicht das gleiche Ausmaß an Selbstreflexion und Selbstbewusststein voraussetzen kann. Am Ende baten die Mädchen mich auch, im nächsten Workshop mehr zu spielen und weniger zu reden. Nach vielen Recherchen stoß ich damit jedoch ein wenig an meine Grenzen, denn die Thematik Selbstwert ist per se verbunden mit Selbstreflexion und Nachdenken, aber ich versuchte trotzdem, den Freitagsworkshop spielerischer zu gestalten. Beispielsweise malte ich ein Plakat mit alphabetisch angeordneten Beispielsstärken und spielte "Der Wind weht für alle, die...", bei dem eine Person versucht, einen Stuhl zu ergattern, während alle, die sich angesprochen fühlen, ihren Platz wechseln müssen. Das schien den Mädchen Spaß zu machen und zumindest waren sie danach nicht mehr der Meinung, gar nichts gut zu können, so wie am Montag, aber mit Absprache mit der Leiterin Raquel lassen wir diese Thematik nun erstmal ruhen. Die Mädchen sind auch um einiges kritischer mit mir und machen sich über mich lustig, wenn ich Wörter falsch ausspreche oder anwende - die kleineren Kinder sind da um einiges entgegenkommender, schauen mich zwar komisch an, wenn ich zum Beispiel frage, ob ich den Radiergummi kurz mieten darf, sagen mir dann aber das korrekte Wort für leihen und nehmen mich danach trotzdem ernst.
Da der Freitagworkshop vormittags stattfand, half ich den Rest des Vormittags in der Küche mit und bekam so mit, wie aufwendig das Kochen für das Mittagessen ist. Drei riesige Auflaufformen füllten wir zu viert mit dem peruanischen Kartoffelauflauf Pastel de Papa und schleppten die Auflaufformen in einer Kette, da sie für eine Person zu schwer waren, zu dem Laden, in dessen Ofen das Gericht gebacken wurde.
Mit den anderen Freiwilligen verstehe ich mich im Übrigen gut, mit Rosa aus Italien, die in Spanien lebt, fahre ich oft gemeinam mit dem Bus und mit Maita aus der Schweiz habe ich ab und zu Street Food probiert - einmal haben wir an einem der Straßenstände für 3,50 Soles ein leckeres Gericht aus Nudeln, Omelette und Reis gegessen, ein anderes Mal haben wir das typische Getränk El Emoliente probiert, das nur abends verkauft wird und als eine Art Tee beschrieben werden könnte: aus allerlei verschiedenfarbigen Flaschen wird ein Schuss Flüssigkeit in ein Glas gegeben, mit heißem Wasser und einer geleeartigen Masse überschüttet und kräftig verquirlt - später habe ich herausgefunde, das Heilpflanzen, Kräuter und Zitronensaft wichtige Komponenten dieses medizinischen Getränks sind.




An den Vormittagen, die ich nicht damit verbrachte, Workshops vorzubereiten, nutze ich mein Boleto Turistico aus und besichtigte weitere Inka-Ruinen. Am Dienstag luden mich Sarah und Timm in ihr Hostel zum Frühstücken ein, wo ich auch Nikolai und Nici aus München kennen lernte. Danach fuhr ich mit einem Collectivo Richtung Pisac, stieg bei der Ruine Tambomachay aus und lief den kurzen Weg zu einem Steinbad, in dem vor allem das Brunnensystem besonders war. Viel schöner fand ich jedoch den Ausblick, als ich einen kleinen Wanderweg entlanglief und wieder vollkommen von Ruhe umgeben war, und am Horizont ein paar weitere Ruinen erblickte. Ein Mitarbeiter erklärte mir auf mein Nachfragen freundlich, dass diese noch nicht restauriert seien und deswegen noch nicht für Touristen zugänglich, sehr spannend.





Gegenüber dieser Anlage befand sich Pukapukara, eine Festung, eindrucksvoll über dem Tal gelegen. Da beiden Anlagen klein waren, hatte ich beide in einer Stunde besucht.




Mit Sarah, Timm, Nici und Nikolai traf ich mich abends bei einem Mexikaner, am Donnerstagabend in einem Burgerladen und am Freitag auf einen letzten Drink, bevor Nikolai und Nici weiterreisten. Am Mittwoch trafen wir fünf uns ebenfalls, allerdings bereits morgens, um mit einem Bus eine knappe Stunde nach Tipon zu fahren und dort die Gärten zu besuchen. In dem kleinen, heruntergekommenen Dorf angekommen liefen wir in Richtung der Ruinen, wurden dabei fast von einem Hund angegriffen, den Timm glücklicherweise irgendwann abschrecken konnte, und stiegen die vielen steilen, in den Berg gehauenen Stufen hinauf, um nicht die langgezogenen geteerten Serpentinen entlanglaufen zu müssen. Nach einer halben Stunde erreichten wir den Kontrollposten und wollten für die vier ein Einzelticket erwerben, das es laut meinem und auch Timms Reiseführer geben sollte. Leider war diese Information veraltet und der nette Mitarbeiter ließ sich auch nicht weichklopfen - die vier hätten sich lediglich ein komplettes Boleto Turistico kaufen können, und da dies für sie außer Frage stand, entschieden sie sich, wieder nach Cusco zu fahren. So besuchte ich nun doch wieder alleine die Inka-Stätte. Die 12 großangelegten Terrassen, für die 12 Kalendermonate stehend, sowie das Bewässerungssystem mit Brunnen und Kanälen waren zweifelsfrei imposant, ebenso der Blick von der über weitere steile Stufen zu erreichenden, versteckteren Ruine.






Nach etwa einer Stunde lief ich zurück ins Dorf, nahm einen Bus zur Landstraße und stieg dort in einen Bus, der mich nach zwanzig Minuten mitten im Nichts bei der Ruine Pikillacta ausstiegen ließ. Von dem Weg aus sah ich nur eine langgezogene Mauer und fragte mich, ob diese wohl so interessant sein würde. Doch nachdem ich an der Mauer entlang die Stufen emporgestiegen war, bot sich mir ein beeindruckender Blick auf die Ruinen der von der Wari-Kultur, also vor der Zeit der Inka, errichteten Stadt. Ich brauchte lange, um die weitläufige Anlage zu durchqueren, die von einem Aussichtspunkt einen schönen Blick auf die gegenüberliegende Lagune bot. Zu guter Letzt lief ich noch zu dem in der Nähe von Pikillacta gelegenen Inka-Tor Rumicola, das auf Wari-Fundamenten gebaut worden war, und das ohne Boleto Turistico angesehen werden kann - wahrscheinlich weil es nicht viel zu sehen gibt - und wartete dann gegen 14 Uhr mittlerweile erschöpft auf den nächsten Bus, der mich zurück nach Cusco brachte. In San Jeronimo fand ich auf dem Markt ein sättigendes Mittagessen, bestehend aus der seltsamen Kombination von Reis, Pommes, Avocado, Würstchen, Spiegelei und Kochbanane.







Nach meinem Workshop am Freitag besuchte ich das Monumento Pachacutec, ein Museum in einem Denkmal für den neunten Inka-Herrscher, der dem Inkareich zu viel Reichtum verhalf und vor allem die Infrastruktur im Inka-Reich ausbauen ließ und angeblich auch den Bau von Macchu Picchu veranlasste. Der Blick von der Aussichtsplattform auf das an diesem Tag sehr düstere Cusco war jedoch wenig spektakulär. Spontan entschied ich mich, in ein nahegelegenes Nagelstudio zu gehen und mir Gelnägel machen zu lassen, um mein schlimmer gewordenes Fingerknibbeln für mich schwieriger zu gestalten - Vanessa, ebenfalls 22 und ebenfalls Psychologiestudentin, bearbeitete meine Nägel zwei Stunden lang, und jetzt kann ich mir nicht mehr so leicht die Haut von den Fingern knibbeln.




Ansonsten habe ich die mir fehlenden Smartphonefunktionen analog ersetzt, mir also einen Wecker gekauft, ein Notizbuch und ein kleines Wörterbuch, und komme erstuanlich gut damit zurecht, kein Handy mehr zu besitzen. Nervig ist es lediglich für die Kommunikation und das Vereinbaren von Treffen.
Im Laufe der Woche wurden die Stimmen der Stichwahl ausgezählt. Die Wahlberechtigung lag trotz Wahlpflicht bei 80%, was ich interessant finde, da ich sehr viele Peruaner getroffen habe, die nicht wählen gegangen sind - oft, weil die Reisekosten zum Wahllokal, das auf dem Ausweis verzeichnet ist und verpflichtend aufgesucht werden muss, die Strafgebühr deutlich übersteigen. Mit einem Vorsprung von nur 41000 Stimmen konnte Kuzynski mit 50,1% die Wahl für sich gewinnen und wird nun ab 28. Juli der neue Präsident Perus sein - damit hatten viele nicht mehr gerechnet.

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