Um bloß keine
Langeweile aufkommen zu lassen, wurde mir am Freitag vorgeschlagen, einen Teil der Kurse zu gestalten und die Einführung der
Selbsteinschätzung zu übernehmen. Überfordert musste ich erklären, dass
ich gerne erst einmal sehen würde, wie das normalerweise geschieht, und
ärgerte mich im ersten Moment, die mir nun angebotenen Aufgaben nicht
übernehmen zu können, jedoch wurde mir dann bewusst, dass das nicht an
meinem Unvermögen liegt, sondern an den weder an meinen Kenntnisstand noch an mein Sprachniveau angepassten Aufgaben. Trotzdem war ich den ganzen Tag nicht besonders
glücklich, und auch der Workshop am Abend, in dem zwei Kursteilnehmer
ihre Geschäftsideen vorstellten, und das Mittagsmenü im vegetarischen El
Encuentro mit Salat vom Buffett, Suppe und Hauptgericht konnten mich
nicht recht aufheitern. Also entschloss ich, am Samstag mal ganz aus
Cusco rauszukommen und stoß in meiner derzeitigen Lieblingsquelle für Unternehmungen in Peru und speziell Cusco über die Möglichkeit, ohne eine geleitete Tour zu den
Salzterrassen von Maras zu fahren.
Morgens lief ich zu der Haltestelle, ab der die Combis nach Urubamba und
Ollantambay abfahren. In einer Einfahrt steht ein Combi, der von
hektisch winkenden und rufenden Männern befüllt wird, und sobald alle
Fahrplätze voll sind, setzt sich der Bus in Bewegung und der nächste
Wagen fährt in die Einfahrt. In wenigen Minuten war der Combi nach
Urubamba voll, und für 6 Soles ging es los, mit Andenmusik, alter
amerikanischer Chartmusik und sogar der spanischen Version von "Moskau",
bis wir nach etwa einer Stunde die Abzweigung nach Maras erreichten, wo
ich mich absetzen ließ. Auf dem Weg dahin war mir aufgefallen, was mir auch auf dem Weg nach Sicuani ins Auge gefallen war: insbesondere in den dünn besiedelten Gegenden wurde überall für Fujimori geworben, an Mauern und auf riesigen Plakaten, die so gar nicht in das landschaftliche Bild passen wollten - mit genügend Geld lässt sich so also der Wahlkampf bestreiten. An der Straßenkreuzung standen schon Taxis
bereit, doch diese waren partout nicht bereit, mich nach Maras zu fahren, von
wo ich zu den Salinas wandern wollte, stattdessen wollten sie mir
Rundfahrten andrehen. Ein brasilianisches Pärchen wollte auch zu den Salinas und anschließend
nach Moray, also einigten wir uns, dass sie die Taxirundfahrt machten
und ich nur bis zu den Salinas mitkam und dafür 10 Soles dazusteuerte. Die beiden hatten für drei Jahre in
Deutschland gelebt und die Frau war Psychologin mit dem Schwerpunkt
Psychoanalyse. Einen ersten grandiosen Anblick auf die
Salzterrassen hatten wir bereits von der Straße aus, doch als wir für 10 Soles die riesige Anlage betreten hatten, bot sich ein noch viel beeindruckendes Blick.
In einem Canon erstrecken sich an einem Berghang etwa 3000 von den Inka angelegten Salzterrassen, flache Becken,
in die durch ein ausgeklügeltes Kanalsystem das Wasser einer salzigen
Quelle geleitet wird, und in denen nach Austrocknen des Wassers durch
die hohe Sonneneintrahlung nur das feste Salz zurückbleibt, das "Weiße Gold der Anden". Von den Inka waren
die Becken gleichmäßig auf die Familien der umliegenden Regionen verteilt worden, und
auch heute besitzen und bewirtschaften die Familien der Umgebung die
Salinas.
Ich war sehr froh, nicht mit einem der Tourbusse gekommen zu
sein, denn nach einer Führung blieb nur kurz Zeit, um
ein paar Fotos zu schießen, und dann fuhren sie auch schon weiter. Ich entschied
mich, einmal durch die Terrassen hindurchzulaufen, und nach wenigen
Metern hatte ich alle Menschen hinter mir gelassen, und konnte die Ruhe
und den Anblick genießen und erblickte dabei ein paar
Peruaner, die gerade ihre Terrassen bewirtschafteten.
Als ich keinen Pfad mehr erkennen konnte,
kletterte ich die Terrassen nach oben zurück und folgte dann
einem Bergpfad hinunter ins Urubambatal. Durch ein kleines, wie
ausgestorben wirkendes Dorf mit wenigen Bewohnern, einzelnen und teils
unfertigen Häusern und dösenden Hunden, lief ich bis zu einer
Hängebrücke und von dort über den Urubambafluss zur nächsten
Hauptstraße. Statt ein Tuk-Tuk oder Collectivo zu nehmen, lief ich die 4
Kilometer die Hauptstraße entlang bis nach Urubamba, da ich noch Lust
hatte, weiterzulaufen, und nahm gegen halb 3 einen Bus für 4 Soles
zurück nach Cusco, der diesmal leider zwei Stunden für den Rückweg
brauchte.
Da ich mittlerweile ziemlichen Hunger hatte, folgte ich einer der vielen Empfehlungen, die ich für Cuscos Gastronomie bekommen hatte, und aß im Fuego einen der vegetarischen Burger.
Mit nicht nachlassenden Kopfschmerzen lief ich zum Hostel und holte auf dem Weg bei einem Reisebüro die Preise für diverse Macchu Picchu-Treks
ein, und zwei Türen vor meinem Hostel fiel mir ein kleines Reisebüro auf und ich entschloss, auch dort nach
den Treks zu fragen. Ein paar Leute saßen auf einem Sofa, und fragten
mich, ob ich nicht zum Rainbow Mountain wolle. Ich musste lachen, denn
das hatte ich tatsächlich für diesen Tag überlegt, dann aber doch nicht
gemacht, da es zu kurzfristig gewesen war. Ich meinte, dass ich generell schon
hinwollte, aber nicht unbedingt sofort. Die anderen meinten, sie
würden um 3 Uhr morgens losfahren und bräuchten noch ein paar Leute,
außerdem würde ich doch bestimmt Freunde in Cusco suchen, und der Preis
läge bei nur 50 Soles.
Andere Reisebüros verlangen deutlich mehr, insbesondere da der Rainbow
Mountain ein gerade aufkommender Trend ist. Bis vor wenigen Wochen galt
er noch als Geheimtipp und nur während einer Tour um den Asangate, mit 6400 Metern der höchste Berg in der Region Cusco,
besichtigbar, doch auf einmal wurde er bekannter und nun kleben bei
allen Reiseagenturen auch Bilder des Vinicunca, die Ein- oder Zweitagestouren
bewerben. Spontan entschied ich mich, mitzufahren, da mir die lockere
Atmosphäre so gut gefiel, und kaufte mir auf den Straßen um
den Markt ein paar Früchte und Avocados und im Supermarkt ein paar
Müsliriegel und Wasser, da man tatsächlich nur den Transport bezahlte und keinen zusätzlichen Schnickschnack wie Mahlzeiten oder einen Tourguide.
Obwohl ich früh ins Bett gegangen war, hatte die Nacht für mich nur
viereinhalb Stunden und ich traf um 3 Uhr morgens auf ein Pärchen aus
Mainz, einen Italiener und einen Belgier, die bereits in der Agentur
warteten. Zunächst erfuhren wir, dass die Abfahrt nun doch erst 3.30 Uhr
sein würde. Der Raum füllte sich langsam mit anderen Mitfahrenden,
hauptsächlich alternativaussehende Backpacker, die im zum Büro gehörigen
Hostel untergebracht waren. Da eine Französin ihren Wecker nicht gehört
hatte, verzögerte sich die Abfahrt nochmal, aber um 4 Uhr ging es dann
endlich im Kleinbus los. Nach einem Zwischenstopp in einem kleinen Dorf als
letzte Einkaufsmöglichkeit erreichten wir um 7.30 Uhr den Ausgangspunkt
unserer Wanderung. Vor der Kulisse gewaltiger, rot gefärbter Berge
wanderten wir zunächst an Lama- und Alpakaherden vorbei, über Bäche
hinweg und über weite, noch vereiste Flächen mit vereinzelten Häusern Quechua-sprechender indigener Bevölkerung, in der Ferne der Gipfel des Asangate
erkennbar. Dann stieg der Weg an, und schlagartig mit Anstieg der Höhe
begann mein Kopf zu schmerzen und ich merkte, wie mir meine Schritte
schwererfielen, augenblicklich wurde ich nun auch stetig von anderen überholt. Auf der linken Seite sah man nun bereits einen
mehrfabigen Berg, und ich hätte jedem geglaubt, der mir erzählt hätte,
dass dies bereits der angestrebte Berg sei.
Bis zur nächsten Ebene kam
ich noch gut durch und hoffte, von dort das baldige Ende zu sehen - doch vor
mir erstreckte sich eine weite Ebene und daran anschließend ein weiterer, steilerer Anstieg und weit hoch oben
in der Ferne unser Ziel. Mittlerweile war mir von der Höhe auch übel
geworden, und ich konnte nur langsam Schritt vor Schritt setzen und war
trotzdem nach wenigen Schritten außer Atem. Bei jeder Pause wurden mir nun Pferde von den Einheimischen angeboten, die ich dankend ablehnte - ich wollte es alleine schaffen. Wenigstens traf ich nun endlich auf andere Leute, denen
die Höhe auch so sehr zu schaffen machte, und gegenseitig versuchten
wir uns zu motivieren - doch die Frustration zu wollen, aber nicht zu
können, war deutlich spürbar. Das Ende des Wegs schien trotz der
Anstrengung nicht näher zu kommen. Auf dem Gipfel tummelten sich
mittlerweile schon Menschen, und ich war mir sicher, dort oben ganz
sicher nicht anzukommen. Mit jedem Abschnitt, für
den ich eine längere Pause brauchte, wurde die Versuchung größer, mich
auf eines der Pferde zu setzen und zum Aussichtspunkt reiten zu lassen. Jeder Atemzug war anstrengend, ich hatte
Sorge, mich jeden Moment übergeben zu müssen, der Schmerz in meinem
Kopf war intensiv, und ich fragte mich, ob dieser bekloppte
Regenbogenberg das wert sein würde und warum ich mich überhaupt so blauäugig auf diese Wanderung eingelassen
hatte. Mittlerweile hatten mich alle anderen meiner Gruppe überholt,
und ich musste all meine Kraft zusammennehmen, weiter zu laufen. Mental versuchte ich, mir selbst Mut zuzureden, doch zu schnelle Schritte ließen die Übelkeit nur schlimmer werden. Selbst die atemberaubende Umgebung konnte
mich kaum noch motivieren, da ich so sehr mit mir beschäftigt war. Ich überlegte, vielleicht doch das nächste Angebot für ein Pferd anzunehmen, das mittlerweile für nur noch 5 Soles angeboten wurde, doch dann schien der verbleibende Weg absehbarer zu
werden - und dann kamen die steilsten Meter, für die ich alle paar
Schritte pausieren musste, während mir die ersten Rückkehrer bereits
entgegenkamen.
Für die wenigen letzten Meter brauchte ich Minuten, in denen ich innerlich gegen Kopfschmerz und Übelkeit kämpfte, und in denen es zu schneien anfing, doch schließlich stand ich am Aussichtspunkt, schaute
auf das vor mir liegende Tal, und sofort war mir klar: dieser Anblick war den Weg und die
Anstrengung wert. In knalligen Rot-, hellen Blau- und
sanften Gelbtönen eingefärbt, erstreckte sich auf der nun sichtbaren Seite des
Rainbow Mountains ein Tal mit kleinen Seen.
Ein Blick zurück auf den
Weg, den wir zurückgelegt hatten, war nicht weniger atemberaubend. Eine
Weile genossen wir den Ausblick, doch ich konnte nicht umhin, immer
wieder zum über uns liegenden Gipfel zu schielen. Die Französin und der Italiener erzählten mir, dass der Anstieg vergleichsweise leicht war und definitiv die letzten Mühen wert, doch die anderen, die mit der Höhenkrankheit gekämpft hatten, trauten sich die zusätzlichen Höhenmeter nicht zu. Ich gab mir einen Ruck und nahm mir vor, zumindest bis zur Hälfte aufzusteigen, das sah machbar aus. Der Wind zerrte nun noch stärker an mir und pfiff mir um die Ohren, da es links und rechts neben mir nur noch steil bergab ging und keinen Windschutz mehr gab, und auch die Kälte wurde nochmal deutlich intensiver. Nun machte sich zu allem Überfluss auch meine Höhenangst bemerkbar, denn dieser Weg war steil und rutschig, doch ich drehte mich vorsichtig um und war überwältigt - von hier aus sah man den Vinicunca und die seltsam surreale Symmetrie seiner Farbstreifen nun vollständig. So kurz vor dem endgültigen Ziel konnte ich nun nicht mehr aufgeben, und so stapfte ich die letzten Meter auch noch hinauf, und erreichte schließlich, womit ich nicht mehr gerechnet hatte, den Gipfel, der über 5000 Metern lag. Ein unbeschreibliches Gefühl überrollte mich bei dem Anblick, der sich mir auf einmal bot, eine Mischung aus überwältigtem Staunen, Glück, Erleichterung, Stolz, Freiheit und Sprachlosigkeit. In welche Richtung man sich auch drehte, sah man nun den Vinicunca, die Täler auf beiden Seiten und direkt vor uns, erstmals nicht mehr nur der Gipfel, der Asangate.
Jegliche körperliche Anstrengung und Kälte war vergessen, und immer wieder drehten wir uns im Kreis und betrachteten die Landschaft, die aussah, als hätte jemand zu einem überdimensionalen Pinsel gegriffen und sie bunt angemalt. Einige, die Macchu Picchu bereit besucht hatten, meinten, dass dies sie sogar mehr beeindruckte, da es nicht von Menschenhand gemacht war. Auch ich dachte mir, was für eine immense Schönheit der Natur dies war, und es fühlte sich an, als würde ich nie wieder etwas so Schönes sehen. Irgendwann mussten wir uns von dem Anblick lösen und die Rückkehr angehen, und nun bemerkte ich erst, wie steil der Weg zum Gipfel und zum Aussichtspunkt tatsächlich gewesen waren, da ich Probleme hatte, festen Halt zu finden. Ich war froh, als dieser Part geschafft war, und die Wanderung zurück fühlte sich an wie ein lockerer Spaziergang.
Der Belgier und ich liefen zufällig im gleichen Tempo, und gemeinsam tauschten wir uns über den erhabenen Anblick aus und unsere Glücksgefühle, etwas gefühlt Unerreichbares erreicht zu haben, durch eigene Kraft und den Willen, es zu schaffen. Er, dessen Namen ich genau so wenig weiß wie die der anderen, weil ich diese immer sofort wieder vergessen, meinte, dass dies für ihn das Reisen ausmachte: die eigenen Grenzen zu überschreiten. Nach ein paar Minuten stellten wir fest, wie still es auf einmal war - dadurch, dass sich die Menschen nun mehr über den Weg verteilten, hörte man kein Geplapper mehr, und als wir kurz innehielten, merkten wir, dass tatsächlich absolute Stille herrschte. Vor und hinter uns war niemand zu sehen, an unseren Seiten ragten mächtig und still die Berge empor, und man hörte rein gar nichts, außer dem schwachen Pfeifen des Windes. Ein wahnsinnig intensiver Moment. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken stapften wir weiter und fanden irgendwann unser eigenes Tempo, und leider zog sich auch der Rückweg auf einmal dahin. Irgendwann ließ meine Übelkeit etwas nach, und auch meine Kopfschmerzen wurden weniger. Auf einem letzten steilen Stück knickte ich kurz um, was einen stechenden Schmerz in meinem Knie verursachte, der mich nun bei jedem Auftreten begleitete. Dann setzte der Regen ein, und es kostete mich meine letzte Anstrengung, zum wartenden Bus hinaufzutreten, doch nach insgesamt zweieinhalb Stunden ließ ich mich in meinen Sitz fallen und genoß die kurze Ruhephase, bis alle im Bus angekommen waren. Dann ging es auf huckeligen Wegen vier Stunden zurück nach Cusco, und innerhalb weniger Sekunden war der gesamte Bus, bis auf den Fahrer, eingeschlafen.
Witzigerweise traf ich das Pärchen aus Mainz am nächsten Morgen, als ich meine Wäsche in eine Lavanderia brachte, und dabei fiel mir wieder auf, wie oft mir das nun schon passiert ist: ein französisches Pärchen aus dem Bus in den Colca Canon habe ich auf dem Plaza de Armas in Cusco wieder entdeckt, ein amerkanisches Pärchen saß zweimal im gleichen Restaurant wie ich in Arequipa und nahm den gleichen Nachtbus nach Cusco, und viele Gesichter sind mir schon zweimal über den Weg gelaufen - und das in einem Land wie Peru, aber eben auf der sogenannten Gringo-Route und in den beiden angeblich schönsten Städten Perus, also vielleicht doch kein so großes Wunder.
Die überwältigenden Erfahrungen vom Wochenende hatten meine Stimmung deutlich stabilisiert, und so konnte ich deutlich rationaler und distanzierter in die zweite Praktikumswoche starten. Doch nach zwei Tagen ohne Aufgaben befinde ich mich bereits wieder in meinem Durcheinander aus Gedanken und Bauchgefühlen, die sich minütlich ändern und in gegensätzliche Richtungen schwingen, und weiß nicht, welche Entscheidungen ich treffen soll. Ich erhoffe mir viel vom zweiten Teil der Woche und werde wohl davon abhängig machen, ob ich bleibe oder abbreche. Die Arbeitsmoral wird sich wohl kaum unterscheiden nach einem Wechsel, aber bei dieser NGO ist die gesamte Teamatmosphäre verkorkst und die Frustration aller Teammitglieder deutlich spürbar. Diesen Freitag wird der Gewinner eines internationalen Start-Up-Wettbewerbs an unserem Standort ausgezeichnet - und die Einladungen wurden gestern und heute verschickt. Die Organisationsfähigkeit meiner Kollegen lässt mehr als zu wünschen übrig, und das sagen sie auch untereinander über sich. Aber hey, weil ich die schönste Schrift habe, durfte ich die sieben Briefumschläge beschriften. Das war bisher mein einziges ToDo. Ansonsten habe ich die Unterlagen übersetzt, Vokabeln gelernt und Reiseziele recherchiert. Leider kann mir meine Praktikumsagentur in Cusco keine Alternativen anbieten, ich könnte allerdings in Lima oder Iquitos ein anderes Praktikum beginnen - aber das würde bedeuten, dass ich Cusco jetzt schon wieder verlassen müsste, was sehr schade um die Touren wäre, die ich mir mittlerweile herausgesucht habe. Deswegen habe ich heute etwa zehn soziale Projekte in Peru angeschrieben, in der Hoffnung, dass eine ehrenamtliche Arbeit dort möglich ist - dann hätte ich eine echte Alternative zu meinem jetzigen Praktikum. Ein anderer Gedanken besteht darin, bei dieser NGO zu bleiben, aber mein Praktikum zu verkürzen. Eine weitere Überlegung von mir ist, statt einem Wechsel einfach alles abzubrechen, den Traum von einem Alltag in Lateinamerika zu verwerfen und stattdessen zu reisen - einfacher wäre das auf jeden Fall, weil man sich so nur die schönen Seiten Perus herauspicken könnte und ich mich nicht länger mit dem Aufeinandertreffen der Arbeitskulturen auseinandersetzen müsste.
Nun kommt zu dieser Unklarheit überflüssigerweise auch noch hinzu, dass der anfangs so nette Hostelbesitzer sich zu einer sehr seltsamen Person wandelt, die im einen Moment problembeladen und gestresst ist, und mir im nächsten Moment überschwängliche und unangemessene Komplimente macht, mit mir zusammen Bus fahren will und allen Ernstes den Rücken von mir eingecremt haben will. Deswegen fühle ich mich nun nicht mehr nur bei der Arbeit unwohl, sondern auch in meinem Hostel. Die Mitbenutzung der Küche habe ich diese Woche in Anspruch genommen, aber die Gegenwart dieses Menschen und meine kulinarische Unkreativität führen dazu, dass ich das Experiment, selbst zu kochen, wohl wieder aufgeben werde. Nach Wohnalternativen habe ich mich ebenfalls umgesehen, doch das stellte sich leider als ähnlich ernüchternd heraus, denn viele Möglichkeiten habe ich nicht, und meist wäre ein Mindestaufenthalt von einem Monat mit Rabatten verbunden, womit ich mich also wieder an Cusco binden würde. Zudem weiß ich noch nicht, ob ich meinen Mindestaufenthalt überhaupt verkürzen darf und wie viel Geld ich gegebenenfalls wiederbekommen würde. Zu guter letzt hängt die Entscheidung über meine Wohnsituation unweigerlich mit meiner Entscheidung über die Arbeitssituation ab, und ab da trete ich gedanklich auf der Stelle.
Am Ende des Tages drehe ich mich nach wie vor im Kreis und komme zu keiner Entscheidung. Passend zu meiner Stimmung regnet und hagelt es nun auch seit gestern immer wieder in Cusco, was ungewöhnlich für diese Jahreszeit ist. Gefühlt wird es auch immer kälter, deswegen habe ich mir heute einen "Maybe-Alpaka" Pullover gekauft - für 30 Soles vom Markt von San Blas ist es wahrscheinlich kein Babyalpaka, denn jene Pullover werden in den Edel-Alpaka-Geschäften für 300 bis 400 Soles verkauft. Da mir das aber klar war, ist es mir egal, und warm hält er trotzdem.
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