Am Freitag nach der Schule nahm ich ein Taxi
zum Busbahnhof Arequipas und stand 20 Minuten später in dem
langgezogenen Busbahnhof, an dem sich unzählige Busunternehmen
aneinanderreihen und laut ihre Destinationen schreien. Bei dem mir von
Fabricio empfohlenen Busunternehmen San Christobal kaufte ich mir für
20 Soles plus 2 Soles Abfahrtssteuer ein Ticket nach Puno und wartete
lesend und ein von der Fastfood-Kette Mammut gekauftes Avocado-Sandwich essend auf meine Abfahrt eine Stunde später. Erstaunlich pünktlich ging
es um 15.45 Uhr mit nur 15
Minuten Verspätung los und durch die sich lange erstreckenden Ränder der Stadt, von
kleinen, niedrigen, unfertigen Häusern gekennzeichnet, bis zum Pass
Patapampa den mir vom vorherigen Wochenende bekannten Weg entlang,
bis wir an einer Abzweigung nicht dem Weg nach Chivay sondern nach Puno
folgten. Das wellenförmige Tal lag unter uns, am Horizont bestrahlte die
untergehende Sonne den Himmel und die Berge, und mit der ansteigenden
Höhe purzelten im Bus die Grade deutlich hinunter. Erst plapperte ein Mann in schnellem Spanisch und verteilte Bonbons, für
die er nach einigen Minuten 1 Soles einsammelte, danach versuchte ein
weiterer Mann eine geschlagene Stunde lang seine medizinischen
Wunderprodukte an die Businsassen zu verkaufen. Anders als in den
teureren Bussen wurden während der Fahrt immer wieder Passagiere vom
Straßenrand aufgesammelt und mitgenommen, sowie Getränke- und
Eisverkäufer, die nach einer Weile wieder ausstiegen. Schließlich wurde
auf einem winzigen vergilbten Fernseher ein Actionfilm abgespielt. Nach
Einbruch der Dunkelheit war das Lesen nicht mehr möglich, da die
Lampen nicht funktionierten, und als ich einnickte, weckte mich meine
Sitznachbarin liebenswerterweise, damit ich meine Lehne zurückstellte und mir nicht
den Nacken verzog. Es war gut, dass ich mich gut mit ihr verstand, denn
sobald sie eingeschlafen war, fiel sie immer wieder halb auf mich. Der
Bus roch intensiv nach Essen und Kinder spielten auf voller Lautstärke mit ihren
elektronischen Geräten. Der letzte Halt vor Puno war in Juliaca, eine
große, düstere, kaputte Stadt mit Müll auf den Straßen, in dem
herumstreunende Hunde wühlen, und dem ein oder anderen ausgebrannten
Auto neben der Straße. Nach fast sieben Stunden war ich froh, als wir nach den vielen Stunden
im Dunklen in dem Lichtmeer Puno ankamen und ich den Bus verlassen
konnte. Ich verhandelte nicht lange mit dem Taxifahrer und wollte nur ins Bett kriechen. Vor einer Tür mit einem einfachen
Papierschild ließ mich der Taxifahrer aussteigen, ich klingelte und
wartete. Ein paar Momente geschah nichts, also klingelte ich nochmal.
Wieder rührte sich nichts. Nach ein paar weiteren Klingel- und
Klopfversuchen suchte ich in meiner Buchungsbestätigung die Nummer des Hostels heraus
und rief dort an, doch es hob niemand ab. Irritiert blieb mein
Blick an den Buchungsdaten hängen und langsam drang es zu mir durch: ich
hatte das Bett für eine Woche später reserviert. Innerlich fluchte ich
und ärgerte mich, dass ich wohl einmal zu wenig die Daten kontrolliert
hatte, versuchte noch ein paar Mal erfogslos, in das Hostel zu kommen,
und entschied dann, zum nächsten Hostel zu stapfen. Im Internet fand ich
raus, das eines nicht weit von mir entfernt war, also machte ich mich
durch die mir unbekannte Gegend auf den Weg und hatte Glück, problemlos
konnte ich ein Dreibettzimmer für 27 Soles beziehen, in dem ich sogar
alleine bleiben sollte. Die Reservierung des anderen Zimmers konnte ich
aufheben, und trotz der Anzahlung von 5 Soles hatte mich der
Zwischenfall so nichts gekostet und ich war erstaunt, wie einfach das
Problem aus der Welt geschafft war.
Ab 4 Uhr morgens war der Lärm der Hauptstraße aus hupenden Autos und
schreienden Marktverkäufern deutlich bis ins Zimmer vernehmbar, drei Stunden später
nahm ich eine kalte Dusche, versuchte die Reste auf einem der
Tische als Frühstück zu begreifen und rief nach dem Auschecken die
Nummer der Agentur an, von der aus mich am Vortag jemand angerufen und gefragt hatte,
wo mein Hostel sein würde, um mich für die Tour abzuholen. Ich fragte
den Mann am Telefon, ob er meine SMS erhalten habe, dass ich nicht im
vorgesehenen Hostel sein würde, sondern gewechselt hatte. Er bestätigte mir
dies und versicherte, ich würde bald abgeholt werden. Ich wartete dreißig Minuten, als ich von der Frau am Vortag angerufen wurde,
die mich fragte, wo ich sein würde, die gesamte Gruppe hätte eine halbe
Stunde auf mich gewartet, aber ich sei nicht aufgetaucht, und nun seien
sie zu spät dran und das sei meine Schuld. Überrascht erklärte
ich ihr, dass ich in einem anderen Hostel sei und das auch
weitergeleitet hätte, doch sie schimpfte nur weiter, forderte mich auf,
sofort ein Taxi zum Hafen zu nehmen und legte auf. Mit einem Motortaxi
machte ich mich auf den Weg und wurde auf dem Weg von diversen
peruanischen Nummern angerufen, die auf Spanisch auf mich einredeten und
bei denen ich nie zuordnen konnte, zu wem sie gehörten. Am Hafen traf ich den
Tourguide Ruben, der sich nun seltsamerweise bei mir entschuldigte mit der Begründung, es
sei soviel Verkehr gewesen, mich auf das volle Boot führte, in dem ich
etwas peinlich berührt ganz hinten Platz nahm, und mir umgehend das Geld
für das Motortaxi wiedergab. Nun wurde ich noch von meiner Reiseagentur in
Arequipa angerufen, verstand aber durch die schlechte Verbindung kein
Wort, versuchte mich trotzdem zu erklären und blieb am Ende ratlos, was gerade
passiert war und was das Problem gewesen war, zurück.
Endlich ging es dann los, etwa 25 Minuten bis zu den Inseln der Uros.
Die Inseln dieses Volks sind aus Schilf gebaut, weshalb der Boden weich
und federnd ist. Traditionell gekleidete Frauen begrüßten uns auf einer
der Inseln, und die Präsidentin der Insel sowie unser Tourguide
erzählten uns auf Aymara, Spanisch und Englisch und unterstützt mit Modellen einiges zur Bauweise und
Kultur der Inseln, wir durften ein Stück Schilf probieren und das
Kunsthandwerk betrachten, anschließend blieb Zeit, um sich die Hütten
der Bewohner und die Insel anzusehen - was in zehn Minuten erledigt war,
denn die Insel wurde nur von fünf Familien bewohnt. Ein Teil unserer
Gruppe machte mehr oder minder freiwillig eine kurze Rundfahrt auf einem der hübschen Schilfschiffe für 10 Soles,
Danielle aus Kalifornien und ich genossen stattdessen die Aussicht und kauften uns
auf einer anderen Insel Quinoa-Brot, auch peruanische Donuts genannt,
und dann ging es etwa anderthalb Stunden durch den tiefblauen See, an
Schilfpflanzen vorbei, zur nächsten Insel.
Nach zwei Stunden legten wir gleichzeitig mit gefühlt hundert anderen
Touristen an der Insel Amantaní an, eine Insel mit
etwa 4000 Einwohnern, und wurden unseren Gastfamilien zugeteilt. Ein älteres Paar aus Frankreich und ich sollten bei Adrian und seiner
Familie lebten, also folgten wir ihm zu seinem Haus - und obwohl der Weg
nicht besonders weit war, brachte uns der kleine Anstieg schwer aus der
Puste und wir merkten deutlich, dass wir uns auf etwa 3800 Metern befanden. Gerade als wir im Haus angekommen waren, kam Ruben vorbei und
bat uns die Familie zu wechseln, und als wir dort waren, war er auch nicht
mit unserer Zimmerwahl einverstanden und bat die Franzosen und mich,
unsere Zimmer zu tauschen. In dem kleinen Haus mit hübschen Räumen und Blick
auf den Titicacasee lebten neben unserer Gastmutter Marisol ihr 5-jähriger Sohn, ihre einjährige Tochter, die Oma und der Vater, der
in Juliaca arbeitete. Elektrizität gab es jeden Abend für einige Stunden,
fließendes Wasser allerdings trotz sanitärer Anlagen nicht, die
Küche bestand lediglich aus einem kleinen Ofen in einer Nische. Als Gastgeschenke hatten
wir Reis und Kekse mitgebracht, Marisol hatte für uns eine Art
Kartoffelsuppe und frittierten Käse mit auf Amantani angebauten, kleinen
Kartoffeln gekocht, danach gab es Coca oder Muña Tee, eine Art Minze.
Die Kommunikation war etwas schwierig, da die Franzosen kaum ein Wort
Spanisch oder Englisch sprachen und nur auf Französisch mit uns redeten , und so schlüpfte ich in die Rolle der Übersetzerin. Überrascht
war ich, als Marisol mir erzählte, sie selbst sei so alt wie ich, 22.
Nach
einer Stunde Ruhepause, in der sie uns ihre Handarbeiten zeigte,
brachte Marisol uns zum Marktplatz, mit ihrem Baby in ein Tuch gewickelt auf
dem Rücken und stets mit der Spindel in der Hand, wo wir den Rest der
Gruppe wieder trafen. Fahrzeuge gab es auf Amantani nicht, und die Wege
führten vorbei an kleinen Weiden und Feldern.
Ein Teil unserer Gruppe
wanderte zu den beiden Tempeln auf der Insel, Ruben erzählte uns
zwischendurch, dass die Insel in zehn Distrike unterteilt
war, die Muttersprache Quechua und die in der Schule gelernte Sprache
Spanisch war, und erklärte uns, welche Städte oder Inseln Perus und
Boliviens wir am Horizont erkennen konnten. Die kurze, steile Wanderung
war durch die Höhe erstaunlich anstrengend, doch die Aussicht vom
Pachamama (Mutter Erde) auf 4150 Metern auf die Insel, den See und den
gegenüberliegenden Tempel Pachatata (Vater Erde) war fantastisch, und
obwohl sich die untergehende Sonne hinter Wolken versteckte, beleuchtete
sie den Himmel doch in wunderbaren Farben. Vor allem die tiefe Ruhe
und Stille auf der Insel erzeugte eine sehr friedliche Atmosphäre.
Mit
Danielle und einer Dänin sowie zwei Kaliforniern und zwei Kanadiern
verstand ich mich besonders gut. Im Dunkeln liefen wir zurück zum Plaza,
wo unsere Gastfamilien uns in Empfang nahmen und, mit Taschen- oder Stirnlampen ausgestattet, zurück in die Häuser
begleiteten. Beim
Essen, Suppe und Reis mit einer leckeren Sauce und Tee, versuchte ich,
etwas mehr über Marisol zu erfahren, und sie erzählte, dass sie gerne
hier lebte, da ihr die Städte auf dem Festland zu laut, zu verschmutzt und zu kriminell
seien. Außerdem erzählte sie, dass sie nur aller zwei Monate Gäste
hätte, da es auf Amantaní ein rotierendes System zur Verteilung der
Touristen gab. Eigentlich also eine sehr positive Form des Tourismus und
Kulturaustausches - doch meine Zweifel, wie viel die Familien
tatsächlich von uns profitierten und wie authentisch unsere Erfahrungen tatsächlich
waren, konnten nicht vollkommen ausgeräumt werden. Gegen 20 Uhr brachte uns Marisol unser Outfit
für das Fest am Abend. Mittlerweile war es sehr kalt geworden,
und ich hatte bereits meine fünfte Schicht angezogen. Es kam mir etwas albern vor, darüber die traditionelle Kleidung
anzuziehen, eine weiße bestickte Bluse, ein schwerer bunter Rock, ein
farbenfroh bestickter breiter Gürtel sowie eine schwarze, ebenfalls bunt
bestickte Stola, doch als wir zehn Minuten später in dem Haus ankamen,
sah ich, dass alle Familien ihren Gästen die traditionelle Kleidung
ausgeliehen hatte - außer unseren kanadischen Freunden, deren Familie davon wohl nichts gewusst hatte. Für die Männer
bestand das Outfit aus einem Poncho und einer Mütze. Eine Band spielte
südamerikanische Musik auf, die laut und schnell und schrill war, und
sofort wurden uns von unseren Familien die in Gruppen getanzten Schritte dazu
gezeigt und die Stimmung war ausgelassen und fröhlich. Nach jedem Lied,
das ewig dauerte, brauchten wir Nicht-Peruaner erstmal eine Pause, doch
bald ging es wieder los und wir hüpften in Reihen und Kreisen auf und
ab. Das französische Paar war bald müde und verabschiedete sich, doch wenige Minuten später fragte mich Marisol, wo die beiden seien, denn sie
hätte zugesperrt - so eilten wir bereits gegen 21 Uhr nach Hause und trafen auf
dem Weg Michel, der schon auf Weg zu uns war.
Durch einige Schichten und einige Decken verbrachte ich trotz der Kälte eine ruhige Nacht.
Um 7 Uhr gab es am Sonntag Frühstück, bestehend aus zwei Pancakes und
Marmelade aus der Plastiktube, und um 7.20 Uhr sollten wir am Hafen sein.
Obwohl Ruben uns das viermal in Englisch und Spanisch erklärt hatte,
hatten die Franzosen das wohl nicht verstanden, denn die wuselten trotz
meines Drängens in aller Ruhe um uns herum und wir kamen natürlich viel
zu spät am Hafen an - allerdings fand ich auf dem Rückweg meinen als
verloren geglaubten Schal auf einer Wiese wieder. Auf dem Deck genossen
wir die einstündige Fahrt nach Taquile, wo wir eine kurze Strecke zum
Plaza bergauf liefen, was nun bereits deutlich einfacher wurde, der leer
und alt wirkte.
Wir spazierten ein kleines Stück hinauf zu einem
Panoramaausblick und trafen uns dann wieder auf dem
Plaza, um auf einem wunderschönen Weg mit Blick auf den See
zu einer Familie zu laufen, die für unsere gesamte Gruppe von etwa 24
Personen gekocht hatte. Zwischendurch hatten wir von einer Schafherde
Fotos machen wollen, doch der Besitzer forderte 1 Soles pro Foto - ein
immer häufigeres Phänomen. Im Hinterhof des Hauses der Familie erklärte
uns Ruben die hier geltende Kleiderordnung - die Farben und Tragweise
der Mützen bei Männern und die Rockfarbe und Pompongröße an der Stola
bei Frauen gibt Auskunft über Beziehungsstatus der TrägerInnen - und der
Sohn des Hauses zeigte uns, wie man aus einer Pflanze natürliches
Shampoo herstellt. Dieser zur Schau stellende Charakter hatte mir schon
auf den Inseln der Uros nicht gefallen, und ich hoffte
lediglich, dass die Familien sich nicht blöd vorkamen, uns ihre
Handarbeiten, Kultur und Kleidung vorzuführen. Nun stellte sich heraus,
dass das Essen nicht für alle inklusive war, so musste auch ich nochmal
20 Soles zahlen - allerdings gab es dafür neben einer Rocoto-Mischung, Brot und Quinoa-Suppe eine frisch gefangene, gebratene Forelle und
Tee.
Gegen Mittag bestiegen wir wieder unser Boot und schipperten, lesend
oder dösend, die nächsten drei Stunden
durch den wunderschönen See bis nach Puno, wo wir mit einem Bus zu unseren Hostels gebracht wurden und ich mich am Plaza de Armas
absetzen ließ. Enttäuschend klein, leer und unspektakulär lag er da,
deckte sich allerdings mit meinen bisherigen Eindrücken von Punos
Straßen. Vor der Kathedrale traf ich witzigerweise Or aus Arequipa und gemeinsam mit seiner Begleitung sahen wir sie
uns kurz von innen an, gingen in den hübschen Hinterhof eines der
ältesten Wohnhäuser nebenan, das sonntags leider geschlossen hat, und hatten
somit die Highlights Punos gesehen.
Ernüchtert gingen wir zurück in das
Hostel der beiden, in dem auch die beiden Kanadier waren und ich auf
Danielle warten wollte, doch nach einer halben Stunde brach ich auf - und
traf Danielle, die gerade aus dem Taxi stieg, das ich nun zum Busbahnhof
nahm. Die ersten drei Busunternehmen boten nur späte Abfahrten an, doch
bei der vierten, wieder San Christobal, hatte ich Glück und der Bus
sollte sofort abfahren - in diesem Fall kamen mir die 15 Minuten
Verspätung zugute. Sechs Stunden und zwei anstrengend laut abgespielte Actionfilme später
endete mein Titicaca-Ausflug. Obwohl der See und die Landschaften wunderschön, meine Mitmenschen liebenswert und die vielen Einblicke in die einzigartige Kultur der indigenen Bevölkerung auf dem See interessant waren und die Erfahrung somit einmalig, sehe ich die gesamte Tour wegen ihres kommerzialisierten, beizeiten oberflächlichen und beinahe unauthentischen Charakters nach wie vor kritisch und würde wahrscheinlich empfehlen, statt einer Tour die Inseln mit mehr Zeit und Vorausplanung selbstständig zu besuchen. Ich freue mich deswegen schon jetzt, im Juli oder August die bolivianische Seite des Sees zu erkunden.
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