Sonntag, 15. Mai 2016

¡Chao Arequipa, Hola Cusco!

Die letzte Woche in Arequipa ging viel zu schnell vorbei. Wir haben uns in meinen Spanischkursen und in der Gastfamilie viel über die bevorstehende Stichwahl unterhalten, da eine Umfrage am Sonntag ergeben hat, dass Fujimori derzeit etwas mehr Stimmen bekommen würde - was in den Augen vieler einer Katastrophe darstellt. Korrupte Medien scheinen schon jetzt Realität zu sein, aber sollte Fujimori tatsächlich gewählt werden, befürchten einige bevorstehende gravierende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und eine Spaltung der peruanischen Bevölkerung.

In der Sprachschule haben diese Woche Michelle aus Australien und Timm und Sarah aus Freiburg und dem Saarland angefangen. Mit Michelle war ich fast jeden Tag Mittagessen - nachdem ich am Montag sehr guten Falafel im El Turko in einem schönen Altbau gegessen hatte, waren Michelle und ich am Dienstag auf dem Markt, wo wir Papas Rellenas, also mit Gemüse oder Fleisch gefüllte Kartoffeln, probierten und natürlich einen Saft tranken.



Am Mittwoch suchten wir vergeblich ein paar mittlerweile nicht mehr existierende Empfehlungen und endeten in einer Picanteria am Plaza de Armas, wo ich mediokren Soltero de Queso aß. Danach wurde ich meinem Prinzip untreu, in kein Restaurant zweimal zu gehen, und zeigte Michelle zwei meiner Lieblingsrestaurants: das Ratatouille - diesmal mit Rote-Beete-Vorspeise und natürlich dem Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern und Mangosauce als Nachspeise, der fast soviel wie das Mittagsmenü selbst kostet - und das Crepissimo, wo ich diesmal einen Crepe mit Roquefort, Spinat und Champignons hatte.





Am Samstag probierten wir mit Timm und Sarah die Picanteria La Nueva Palomino in Yanahuara aus, in der ich Cuy, also Meerschweinchen, probierte, das eigentlich ganz lecker schmeckte und mit einer musartigen Nachspeise als Sauce serviert wurde - da wir die Karte kaum verstanden, war es für uns alle eine Überraschung, was sich teilweise auf unseren Tellern befand.




Ansonsten war die Woche relativ ruhig, ich habe mich viel durch die Straßen und Innenhöfe von Universitäten und Bibliotheken treiben lassen und gelesen - bis ich mein Kindle auf den Boden habe fallen lassen, das nun kaputt ist. Stattdessen habe ich mir in dubiosen Bücherläden für wenige Soles Bücher gekauft - kleinformatige Kopien auf dünnem Papier und schlecht illustrierten Covern - neben einem Roman von Mario Vargas Llosa einen klassischen Jugendroman und peruanische Märchen. Außerdem hat Sergej nun seinen Flug gebucht und wir haben unsere Reiseroute präzisiert - nun ist es also sicher, dass wir zusammen reisen! Da der Muttertag in Arequipa sehr groß gefeiert wurde habe ich meiner Gastmutter eine Blume geschenkt, am Mittwoch waren die derzeitigen deutschsprachigen Sprachschüler bei Max und Lula eingeladen, der Schulleitung. Max servierte selbstgemachte Pisco Sours und Snacks, einige Schweizer spielten Karten, wir begannen einen Film auf Schweizerdeutsch (Grounding - Die letzten Tage der Swissair), den wir aber nach der Unterbrechung durch das leckere Buffett wegen anhaltender Gespräche nicht zu Ende ansahen. Insgesamt war es neben der freundlichen Geste auch ein netter Abend, lediglich mit vielen einseitigen Diskussionen und provokanten Thesen, die das Ganze etwas anstrengend machten.



Am Donnerstag fand wieder ein kostenloses Konzert des Simphonieorchesters mit Stücken von Dankowski, Gorecki, Chopin und Mozart im Kloster Santa Catalina statt, das ich mir alleine anhörte, da meine potenziellen Begleiter allesamt gesundheitlich angeschlagen waren - diesmal spielte die Pianistin grandios, das Orchester jedoch umso weniger, aber witzigerweise saß abermals eine Psychologiestudentin aus Arequipa neben mir.



Bei ein paar Chilcanos im Deja Vu planten Timm, Sarah und ich am Freitagabend, am Samstag eine kleine Tour durch die Vororte Arequipas zu machen. Dafür mieteten wir für etwa vier Stunden ein Taxi, das uns zu unseren Destinationen fuhr: zum an einen wunderschön angelegten Park angrenzenden Mirador in Yanahuara, den ich beim Joggen am Dienstag und auf dem Rückweg aus der Stadt am Freitag schon entdeckt hatte, und der angrenzenden Kirche, die für eine Hochzeit geschmückt war; einer prunkvollen Kirche in Cayma im mestizischen Stil, die ebenfalls für eine Hochzeit vorbereitet war, einem Aussichtspunkt in Carmen Alto am Fuße des Chachani mit Panoramablick, nach Chilini, wo man den Lärm der Stadt nicht mehr hört und entlang der nach wie vor benutzten Inkaterrassen schlendern kann, einer weiteren prunkvollen und für eine Hochzeit geschmückten Dorfkirche und angrenzenden, nach wie vor benutzten Präinkaterrassen in Pacapuarta, Wochenendsausflugsorten mit einer Mühle in Sabandia und einem See in Tingo und schließlich zu einem Aussichtsturm in Sachaca - teilweise war das sehr schön, aber auch teilweise etwas seltsam unspektakulär, wie der kleine, schmutzige, künstlich angelegte See mit angrenzender Schwimmhalle und Kinderfreizeitpark. Insgesamt war es aber interessant, durch die vielen Wohnorte Arequipas zu kurven und so viele andere Seiten außer der prächtig-weißen im Zentrum zu sehen.













Leider hieß es nun auch schon wieder Abschiednehmen - erst von meinen Lehrern, und am Samstagabend von meinen neuen Freunden und meiner liebgewonnen Gastfamilie, die mich herzlich einluden, wieder bei ihnen zu bleiben und mit denen ich ganz sicher in Kontakt bleiben werde.

 


Diesmal war meine Abfahrt im gegenüberliegenden Terminal, denn ich hatte mir den Luxus gegönnt und im Voraus bei dem teuersten und sichersten Busunternehmen Cruz del Sur gebucht - für einen unschlagbaren Sparpreis von 49 Soles, also 13€, für die zehnstündige Nachtfahrt von Arequipa nach Cusco. Und tatsächlich: dieses Busunternehmen ist an Sicherheit und Luxus nicht zu übertreffen. Beim Einchecken gibt man das Gepäck ab und bekommt im Gegenzug ein zwingend notwendiges Abholticket, nach der Passkontrolle und einem Sicherheitscheck des Handgepäcks darf man in dem unternehmeneigenen Warteraum Platz nehmen. Schon bis dahin unterscheidet sich das Prozedere von den günstigeren Busunternehmen im anderen Terminal. Die Busse selbst sind modern, sauber und zweistöckig, verfügen auf jeder Etage über Toiletten, die Sitze sind breit und komfortabel und können weit nach hinten gelehnt werden, außerdem kann eine Beinstütze ausgeklappt werden, sodass man fast liegen kann. Kissen und Decken liegen bereit, Kopfhörer für das Unterhaltungsprogramm auf dem eigenen Bildschirm sowie eine warme Mahlzeit werden verteilt. Nach dem Einstieg werden alle Gäste sogar gefilmt, es sind stets zwei Busfahrer und Stewardessen an Board, und durch die Heizung wird es auch bei den Wegen über die Pässe nicht kalt. Ich habe im Grunde darauf gewartet, wann wir abheben, so sehr ähnelt es dem Fliegen. Allerdings war es zwischendurch übermäßig beheizt im Bus und zusammen mit dem starken Rütteln des Busses habe ich doch relativ unruhig geschlafen.




Gegen 7 Uhr erreichten wir den Busbahnhof in Cusco, beim Aussteigen lag mein Schlafsack nicht mehr in der Gepäckanlage. Ein paar panische Minuten später, in denen ich fast den ganzen Bus entlanggerobbt war, und schon anfangen wollte, die auf das Gepäck wartenden Reisenden zu fragen, ob jemand ihn aus Versehen mitgenommen hätte, kam ein Steward mit meinem Schlafsack in der Hand und meinte, er hätte doch unter meinem Sitz gelegen - was definitiv nicht der Fall war. Der erste Schreck war dennoch schnell vergessen und ich war nun wach, als ich in meinem Hostel anrief, weil niemand am Busbahnhof auf mich wartete - und gleich den nächsten Schrecken bekam, der Rezeptionist konnte meinen Namen nicht im System finden. Wieder mal war etwas mit meinen Buchungsdaten schief gegangen und mein Zimmer erst ab Montag frei - ab jetzt heißt es für mich also mehr Sorgfalt bei der Datenüberprüfung. Ich bekam zum Glück ein anderes Zimmer, und bis dieses hergerichtet war, einen Kokatee, schaute mir die Anlage an und lernte den Besitzer kennen: Julio, ein wahnsinnig netter Mensch, der mir alles zeigte und betonte, dass ich mich bei Sorgen und Problemen auch persönlicher Art jederzeit an ihn wenden könne. Er zeigte mir den Weg zum Plaza de Armas, der nur drei Blocks entfernt liegt, und der zwar größer als in Arequipa erscheint, aber meiner Meinung nach weniger prachtvoll ist. Die Regenblogenflagge Cuscos hat übrigens einen Farbstreifen mehr als die Flagge des Gay-Bewegung. Julio zeigte mir auch gleich die wichtigsten Straßen, Kirchen und Plätze, darunter auch eine Mauer eines ehemaligen Inka-Palastes Steine, die fugenlos verbaut und exakt aufeinander angepasst sind, allesamt mit verschieden vielen Ecken, ein Stein hat sogar 12, und lud mich im Markt San Pedro auf einen Saft ein, der hier nur halb so teuer wie in Arequipa ist.





Das Hostel selbst ist klein und liegt in einer engen Seitenstraße. Um den Innenhof gruppieren sich die dreizehn Zimmer und der Frühstücksraum, im Hinterhof gibt es einen großzügigen Garten mit vielen Bäumen und Pflanzen. Da das Hostel mit vielen Organisationen kooperiert, leben hier meist Freiwillige und Studenten wie ich, die längere Zeit in Cusco bleiben.







Mein erster Eindruck von Cusco war zunächst, dass es sich stark von Arequipa unterscheidet. Statt weißem Vulkangestein sind die Kirchen aus dunklem Gestein, die Häuser haben wegen des Regens Ziegeldächer, prachtvoll verzierte Balkone und oft blaue Fensterläden (ein Relikt aus der Zeit, in der Spanier dies als Symbol ihrer Überlegenheit und Blaublütigkeit ansahen). Trotz der vielen Plazas wirkt alles etwas ruhiger und kleiner, vielleicht auch wegen der Einbettung der Stadt in die mächtigen Anden, und es fällt deutlich auf, dass sich mehr Touristen in Cusco aufhalten - Tourismus ist tatsächlich auch die größte Einnahmequelle hier. Außerdem spüre ich die Höhe hier auch deutlicher, immerhin liegt Cusco in 3400 Metern Höhe. Cusco hat übrigens, wie ich heute gelernt habe, 350.000 Einwohner und ist die Hauptstadt der gleichnamigen Region, die so groß wie die Schweiz ist.

Gegen Mittag machte ich mich auf den Weg zu einer weiteren Free Walking Tour, die uns im Grunde zu den Plätzen führte, die mir auch Julio gezeigt hatte. Wir endeten in einem Laden, in dem wir Granadilla, Physalis und Cherimoya probieren durften, und da sich diesmal leider nichts mit der Gruppe ergab, lief ich alleine zurück zum Plaza de Armas. Das Wetter war dramatisch - trotz strahlenden Sonnenscheins und blauen Himmels regnete es über den Tag hinweg immer wieder leicht und am Himmel formierten sich düstere, dichte Wolken. Auf dem Weg zur San Pedro Kirche läuft man an etwa fünf weiteren, ähnlich aussehenden Kirchen vorbei, auf der Plaza San Francisco fand heute ein großer Markt statt. Die vielen Essensstände waren angeblich einwandfrei, und so wagte ich es und aß ein unglaublich gut zubereitetes, sauer und leicht scharfes Ceviche bei einem der kleinen Stände, und lernte dabei Alex aus Brasilien kennen, der mir gegenübersaß. In einem kleinen Becher gab es Leche de tigre, Tigermilch, die Marinade, mit der Ceviche zubereitet wird.




Gemeinsam zogen wir danach noch weiter, ein drittes Mal durch den großen Markt, dessen Dach ebenfalls von Eiffel konstruiert wurde. Wie in Arequipa werden hier Früchte, Gemüse, Fisch, Fleisch, Säfte, Blumen und viele weitere Waren verkauft und die Stimmung ist grandios. Ich kaufte mir eine leckere lokale Süßigkeit und ein paar Früchte, danach schlenderten wir durch ein paar Bücherstände und die Kunststände auf dem Plaza San Francisco durch die Menschenmenge und die Parade zu Ehren eines Heiligen zurück zu unseren Hostels.




Tagsüber ist die Temperatur warm, aber morgens und abends ist es deutlich kühler als in Arequipa und da es auch hier keine Heizungen gibt, werde ich mich für die Nächte dick einpacken müssen. Trotzdem ist mein Eindruck von Cusco ausgesprochen positiv und ich fühle mich bereits wohl und angekommen und freue mich, hier zwei Monate lang leben zu können und die Stadt so auch auf untouristische Art und Weise kennen zu lernen. Morgen ist mein erster Praktikumstag und ich bin schon sehr gespannt.

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