Donnerstag, 14. Juli 2016

In der Cordillera Blanca auf dem Santa-Cruz-Trek (Huaraz, 11.-13. Juli)

Am Montag wurde ich um 6 Uhr abgeholt und lernte meine Gruppe kennen: Mariel aus Oakland, Kalifornien (gleich neben Berkeley!), Verity aus England, Jana aus Tschechien und Guillaume aus Frankreich, die beide ein Semester in Lima studiert hatten, Cynthia aus Frankreich mit ihren beiden jugendlichen Söhnen und eine weitere Französin, außerdem Ron, unser Guide, ein Koch und ein Eselverantwortlicher - Ausrüstung, Essen und eine Tasche jeden Teilnehmers wurde von Eseln getragen.
Nach zwei Stunden legten wir eine Pause ein und frühstückten in einem Restaurant, wo ich am Rande mitbekam, dass die Route spontan geändert worden war: statt in Vaqueria, wie geplant am Ende des Treks, starteten wir nun in Cashapampa. Abgesehen von der fehlenden Kommunikation ärgerte mich dies, da der Weg andersherum etwas einfacher sein sollte (was ich mittlerweile gar nicht mehr glaube) und vielmehr aber, da mir versichert worden war, aus Vaqueria startend um 19 Uhr am dritten Tag zurück in Huaraz zu sein, denn da der vierte Tag nur eine kurze Strecke beinhaltete, sollte dies ohne Probleme möglich sein. Nervös fragte ich Ron, ob dies weiterhin möglich war, und der bestätigte mir, dass ich wahrscheinlich sogar eher wieder da sein würde - gut, denn ich hatte bereits ein Busticket nach Lima für 22 Uhr gebucht.
An einem kleinen Häuschen kauften wir anderthalb Stunden später unsere Eintrittstickets in den Nationalpark Huascaran, das mit 65 Soles relativ teuer war, und starteten gegen halb 12 unsere Wanderung auf 2900 Höhenmetern, nachdem alle Esel beladen waren. An einem Bach entlang wanderten wir nun viereinhalb Stunden lang leicht bergauf, durch das grüne Tal und an hohen Felsen vorbei an vielen grasenden Kühen. Ich war erstaunlich unfit und kam nur langsam voran, was mich ein wenig ärgerte, ich bemerkte die Höhe doch wieder. Ich wurde von einem Tier gestochen, und der seltsame Stich ließ meine Hand in den nächsten Tagen seltsam stark anschwellen. Außerdem riss mir die Kuppe eines Fingernagels ein, was etwas unangenehm war. An unserem Campingplatz auf 3760 Metern mit Blick auf den eisbedeckten Gipfel am Horizont und den Bach waren unsere Zelte bereits aufgestellt und wir mussten sie nur noch beziehen, Isomatten bekamen wir, meinen Schlafsack hatte ich selbst mitgebracht. Verity und ich teilten uns ein Zelt, wir hatten uns bisher sehr gut verstanden, wobei die Stimmung allgemein sehr gut war und sich alle zu mögen zu schienen. Ein Kochzelt und ein Essenzelt gab es ebenfalls, als Bad diente die Natur. Zum Aufwärmen gab es Kokatee, denn sobald die Sonne hinter den Gipfeln verschwunden war, wurde es kühl. Mit Jana verquatschte ich mich bis zum Abendessen um 18 Uhr, das erstaunlich gut und reichhaltig war, und aus Suppe und Reis mit Kartoffeln und Ei, für mich als vegetarische Option zu Hühnchen, bestand. Nach dem Essen saßen wir noch lange zusammen, unterhielten uns in einer Mischung aus Englisch und Spanisch und lachten viel. In einer langwierigen Diskussion versuchten wir uns zu einigen, ob wir am Folgetag als Gruppe laufen sollten oder, wie es sich heute ergeben hatte, jeder in seinem eigenen Tempo, was unserem Guide gar nicht gefallen hatte. Am Ende einigten wir uns, zumindest die erste Teilstrecke gemeinsam zu bewältigen. Die Nacht hatte die Kälte mit sich gebracht, und unter einem klaren Sternenhimmel krochen wir gegen halb 10 in unsere Schlafsäcke - ohne elektrisches Licht kommt einem das sehr spät vor.




Nach einer etwas kalten Nacht standen wir am Dienstag um halb 7 auf und frühstückten eine halbe Stunde später Ei und Brötchen. Erst gegen halb 9 begannen wir unsere Wanderung, wir liefen in einem angenehmen Tempo den weitgehend flachen Weg weiter entlang des Baches, warteten aufeinander und machten viele kleine Pausen. Dabei passierten wir eine wunderschöne Lagune in einem fabelhaften Türkiston.



An einer Kreuzung trennten wir uns von Mariel und liefen im Zick-Zack einen Berghang hinauf, durch ein wunderbar grünes Tal auf einen weiteren schneebedeckte Berggipfel zu, der des Alpamayos, des zum schönsten Berg der Welt gekürten Bergs, der für das Logo von Paramount Pictures als Vorlage galt, und einen weiteren Anstieg hinauf, wo uns hinter einer Kurve ein unglaublicher Anblick erwartete: die Laguna Arhuaycocha, die in ein märchenhaftes, klares Türkis getaucht war, auf 4420 Metern gelegen und von schneebedeckten Bergen umgeben.

 


Eine Stunde genossen wir die friedliche Atmosphäre, bis wir uns gegen 16 Uhr auf den Weg zu unserem Zeltlager machten und dabei, während wir am grünen Berghang entlang eine Abkürzung liefen, bereits die letzten Sonnenstrahlen jagten. Sofort bemerkten wir, dass die Kälte wegen der 490 zusätzlichen Höhenmeter - mittlerweile befanden wir uns auf 4250 Metern - nun beißender werden würde als in der Nacht zuvor. Der Koch hatte Tequenos, mit Käse gefüllte Teigrollen, Suppe und Gemüse mit Thunfisch und Reis für uns vorbereitet. Leider hatte es in der Küche Probleme gegeben, sodass wir erst spät aßen. Dabei sprachen wir über den nächsten Tag und die anderen machten mir klar, dass ich meinen Bus wohl nicht erreichen würde, denn angeblich müssten wir wohl 10-12 Stunden laufen und anschließend 6 Stunden Bus fahren. Ich war kurz den Tränen nahe, da ich unbedingt am Donnerstagmorgen am Flughafen in Lima sein wollte, um Sergej zu empfangen. Wir fragten erneut unseren Guide, in den wir mittlerweile allesamt das Vertrauen verloren hatten, da er ständig falsche Zeit- und Distanzangaben machte, und baten ihn, lediglich ehrlich zu sein, damit wir uns auf den Folgetag einstellen könnten, und er wiederholte sein Versprechen, dass wir definitiv vor 19 Uhr zurück in Huaraz seien. Danach verstrickte er sich in widersprüchliche Aussagen - aus 12 Stunden Wanderungen machte er kurzerhand 8 und dann 6, musste nochmal nachzählen, entschied sich dann aber statt Zeitangaben auf Versprechungen auszuweichen und nutzte die Situation, von seinem Leid als Tourguide zu sprechen, er hätte am Ende immer Schuld, wenn etwas nicht funktionierte, und deswegen würde er die Verantwortung dafür übernehmen, dass Janna, Guillaume und ich pünktlich in Huaraz seien. Indes hatten wir uns darüber ausgetauscht, wie sehr es uns nervte, dass man hier so oft belogen wird, insbesondere bei Touren. Man kann sich ja auf vieles einstellen, aber wenn falsche Versprechungen gemacht und Unwahrheiten aufgetischt werden, ist die Enttäuschung natürlich groß. Da wir allesamt sehr müde waren, gingen wir sehr früh schlafen, doch den Blick von der Kulisse zu wenden, die uns umgab, war schwierig: der Sternenhinmel war klar und strahlend, der Schnee auf den Berggipfeln um uns herum leuchtete fast im Dunkeln und ließ die Berge erstrahlen.




Die Nacht war unangenehm kalt und der Wind zog und zerrte an unserem Zelt. Ich musste die ganze Nacht pinkeln, wollte aber nicht in die pfeifende Kälte hinaus. Am Mittwoch wollten wir um 6 Uhr frühstücken, standen dann aber erst auf, und gingen entsprechend erst nach 7 Uhr los. Ron war spürbar nervös, und die Stimmung war angespannt - alle waren müde, verfroren und etwas angespannt wegen des bevorstehenden Aufstiegs. Solange sich die Sonne noch hinter den Bergen versteckte, war die Luft eisig und zog zwischen allen Kleidungsschichten hindurch. Mehr als zweieinhalb Stunden stapften wir zum Pass hinauf, den gewaltigen Berggipfeln immer näherkommend, und ich kam nur schleppend voran. Wieder wurde mir etwas schlecht und die Höhe ließ mich schwach fühlen, sodass ich nur langsam einen Fuß vor den anderen setzen konnte. Ron trieb mich an, schneller zu laufen, doch das war schlicht nicht möglich. Endlich erreichte ich gegen 10 Uhr den Punta Union Pass auf 4750 Metern, der Blick zurück ins Tal war wunderbar, wir sahen die Lagune, die wir am zweiten Tag passiert hatten, sowie eine weitere, die wir während des Aufstiegs nach und nach erblickt hatten. Außerdem erblickten wir nun das Tal auf der anderen Seite. Der Koch hatte einen kleinen Salat vorbereitet, und nach einer halben Stunde und einem letzten Gruppenfoto mussten wir uns leider schon voneinander verabschieden - Janna, Guillaume und ich mussten nun zügig den letzten Teil der Strecke zurücklegen.



In Windeseile liefen wir die steilen Berghänge hinab, bis der Weg steinig und flacher wurde. Ich war stinksauer, denn Ron hatte mich gefragt, ob 21 Uhr als Ankunftszeit auch ausreichend wäre, und ob ich nicht doch später oder am nächsten Tag nach Lima fahren könnte, es sei doch nur mein Freund, der könne doch warten. Ich entgegnete nur erneut, dass es nicht meine Schuld war, dass vor der Buchung auf Nachfrage falsche Aussagen gemacht wurden - wenn der Trek nicht in drei Tagen zu schaffen ist, hätte man das ehrlich sagen müssen und ich hätte ihn nicht gebucht. Durch ein saftig grünes Tal mit seltsamen Felsformationen wanderten wir schnellen Schrittes, und nachdem Ron zufrieden feststellte, dass wir gut vorankamen, legten wir kurze Pausen ein. Nach einer Weile veränderte sich die Landschaft, wir liefen durch ein Stück Wald, an einem klaren Bach und weiten Weiden vorbei, ich nun voller Energie ständig vorab. Wir passierten ein Kontrollhäuschen - mit einer richtigen Toilette! - und ein kleines, armes Dörfchen, ärgerten uns zunehmend über die schlechte Organisation (Ron war zwischendurch ewig nicht in Sichtweite, kam aber schließlich doch wieder zu uns) und nach einem letzten Anstieg, für den uns mittlerweile allen die Kraft fehlte, erreichten wir gegen 16 Uhr das Dörfchen Vaqueria, wo unser Eselgepäck bereits angekommen war und ein Collectivo für uns bereitstand. Wir verabschiedeten uns von Ron, der nochmals betonte, dass er sein Versprechen gehalten hatte, stiegen vollkommen fertig in den Minibus wund holperten dann über unbefestigte Serpentinen voller Geröll und der ein oder anderen Kuh das Gebirge hinab, was uns letzte Blicke auf die schneebedeckten Berggipfel ermöglichte. Leider nur aus dem fahrenden Bus sahen wir schließlich den wolkenumhangenen, von der untergehenden Sonne angestrahlten Huascaran, den höchsten Berg Perus, idyllisch hinter den Lagunas Llaganucos gelegen. Vier Stunden später wurde ich in meinem Hostel abgesetzt, wo ich herzlich wieder begrüßt wurde und die heiße Dusche benutzen durfte, was eine wahre Freude war.
Trotz der Anstrengung und der vielen Ärgernisse, war dieser Trek ein unvergessliches Erlebnis und es gab unzählige Momente, in denen ich mir wünschte, den Anblick nie zu vergessen. Außerdem waren wir eine tolle Gruppe, und günstiger hätte ich die Gegend nicht erkunden können - alleine die Esel kosten pro Tag 100 Soles, insofern war es mit einer Gruppe komfortabler und wahrscheinlich sogar günstiger.



Eine Stunde später musste ich mich auch schon wieder auf den Weg zum Busterminal machen, wo ich wieder mit Cruz del Sur und wieder für einen Sparpreis von 29 Soles pünktlich um 22 Uhr in Richtung Süden fuhr. Um 5 Uhr morgens kam ich in Lima an, nahm ein Taxi zum Flughafen und vertrieb mir dort die verbleibenden fünf Stunden bis zu Sergejs Ankunft.

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