Mein erstes
amerikanisches Halloween war sehr beeindruckend. Schon als ich abends nach
Hause kam, strömten Kinder und deren Eltern in Scharen in die gleiche Richtung,
in die auch ich wollte. In wenigen Minuten improvisierte ich ein
Einhornkostüm, um wenigstens ein wenig verkleidet zu sein, dann machten sich
Faye, ihre Freunde, Tristan, Annika (die Schülerin aus China, die auch bei
meiner Gastfamilie wohnt) und ich auf den Weg, um uns das Spektakel auf der
Russell Street anzusehen. Ab der Straßenkreuzung, nahe dessen unser Haus steht,
wird ebendiese Straße an Halloween abgesperrt und verwandelt sich zum Paradies
für Halloweenliebhaber. Manche Besucher fahren sogar von anderen Städten nach Berkeley,
um Halloween auf dieser Straße zu feiern. Die Bewohner dekorieren ihre Häuser
mit Lichtern, Gruselrequisiten, Puppen und Kürbissen – eines aufwendiger und
einfallsreicher als das andere. Faye erzählte mir, dass sogar im Kaufvertrag für Häuser in dieser Straße Halloween erwähnt wird - entweder rüstet man sich entsprechend oder muss sein Haus komplett verdunkeln, damit klar wird, dass man nicht teilnehmen möchte. Eine Familie feierte Halloween als Piratencrew
verkleidet auf einem komplett ausgestattetem Piratenschiff in realer Größe in
ihrem Garten, während ein anderer Hausbesitzer Alienpuppen mit Lichtern zum
Erleuchten und mit Lautsprechern zum Sprechen brachte, und eine kleine Show
abspielte, in der er die Aliens interviewte und diese mit bekannten Songs
antworteten. Hunderte verkleidete Gestalten schlendern die Straße entlang, die
Erwachsenen ebenso verkleidet wie die Kinder, und gehen von Tür zu Tür, um
Süßigkeiten einzusammeln. Auch an unserer
Tür wurde ohne Unterbrechung geklingelt nach „Trick or Treat?“ gefragt.
Jed hatte sich eigens ein Kostüm angezogen und antwortete immer schelmisch „Do
you want to see a trick?“ woraufhin die Kinder natürlich begeistert „Yes!“
riefen, schon gespannt auf seine Ausrüstung schielend. Nachdem er dann
jongliert hatte und vielleicht sogar auf sein Einrad gestiegen war, fragte er dann:
„Do you also want a treat?“, was die Kinder natürlich eigentlich im Sinn gehabt
hatten, und deswegen erneut begeistert „Yes!“ riefen. Darauf entgegnete Jed
jedoch „Well, that would be a trick AND a treat then!“ und erntete damit stets
offene Münder oder verärgertes Argumentieren. Irgendwann im Laufe des Abends
haben wir ihn abgelöst und die Süßigkeiten verteilt, insgesamt waren es mehrere
hundert. Faye hat mir aber erklärt, dass diese Größenordnung nicht im
entferntesten Halloween in ganz Amerika widerspiegelt und ganz im Gegenteil
eher eine Ausnahme bildet.
Die im Vergleich karg erscheinende Dekoration unseres Hauses. |
Im Nachtrag an dieser Stelle auch ein "Familienfoto" von unserem Kürbisschnitztreffen (natürlich mit amerikanischer und kalifornischer Flagge, ein noch schöneres wird bald folgen).
Nachdem meine Freunde den Abend entweder auf 21+ Partys verbrachten oder gar nicht feiern wollten, bin ich alleine auf eine Halloween Party in einem Wohnheim gegangen und war wieder mal begeistert, wie schnell man mit anderen Menschen ins Gespräch kommt und zusammen tanzen kann, auch wenn man niemanden kennt.
In der
Universität habe ich in den letzten beiden Wochen nun meine zweiten
Midterm-Runde hinter mich gebracht und meine erste Präsentation hier gehalten.
Außerdem habe ich als Stellvertreterin für das International Committee von Cal
Rotaract einen Workshop besucht, bei dem uns gezeigt wurde, wie man auf
Grundlage von Satellitenbildern Karten für OpenStreetMap erstellt. Humanitarian
Mapping nennt sich das, da vor allem in Krisen wie der aktuellen Ebola-Krise
den Ärzten und Helfern vor Ort keine aktuellen Karten zu Verfügung stehen, und
sie somit weder befahrbare Straßen noch die Lage einzelner Häuser oder
kleiner Dörfer kennen. Mithilfe der einfach zu erlernenden Grundlagen kann man schon
an einigen Projekten mitarbeiten und somit Helfern in Krisengebieten die Arbeit
erleichtern. Ich möchte jeden ermutigen, es auch auszuprobieren!
An den
letzten beiden Wochenenden habe ich eine Seite Kaliforniens erkundet, die ich
bis jetzt noch gar nicht gesehen hatte – die Nationalparks!
Vorletztes
Wochenende fand der von CHAOS organisierte Gourmettrip statt. Rebekka, Olivia und ich
fuhren am Samstag nach einer Stärkung im Nation’s, einer Fast-Food-Kette, die Frühstück und eine vielfältige Auswahl an Pies anbietet, in den
etwa zwei Stunden entfernten Henry Coe State Park und trafen beim Eingang auf
eine weitere Gruppe, mit der wir zusammen den nur etwas mehr als eine Stunde
dauernden Backpacking-Trip zu unserem Campingplatz antraten. In diesem Fall
bedeutete Campingplatz nicht mehr als das Vorhandensein von ebenen Flächen für
Zelte, ein paar Tischen, einer Feuerstelle und einem Plumpsklo. Die
Fahrt und Wanderung war eine Jagd um die letzten Sonnenstrahlen, die
wir knapp verloren und so unsere Zelt im Dunkeln aufbauen mussten. Die mehr als 40
Anwesenden teilten sich in Kochgruppen auf und zauberten ohne fließendes Wasser
oder viele Kochutensilien unerwartet leckere Speisen. Bei uns gab es Nüsse mit Schokostückchen, Pasta mit Gemüse und Pesto, frisches Brot mit Trüffelöl und später
am Abend für alle S’mores. Für diesen typischen amerikanischen Lagerfeuersnack
röstet man ein Marshmallow über dem Feuer, legt ein Stück Schokolade auf einen
Graham Cracker und bildet mit dem gerösteten Marshmallow und einem weiteren
Cracker ein kleines Sandwich. Eigentlich war das Motto des Gourmettrips auch
immer noch Halloween, doch aufgrund der niedrigen Temperaturen waren die
meisten in dicke Jacken statt Kostümen gekleidet – auch bei uns reichte es nur
für ein paar Masken und mein mittlerweile etwas mitgenommenes Einhornhorn, das
dann bei Anbruch der Winterzeit und dem Gewinn einer zusätzlichen Stunde
feierlich im Feuer verbrannt wurde.
Olivia und ich |
Kristina war natürlich auch mit dabei! |
Nach langem
Planen über eine Facebookgruppe von Extension-Studierenden traf ich am
Freitagmittag das erste Mal auf meine überwiegend deutschen Wegbegleiter Andy,
Theo, Milan und Thijs, der als einziger aus den Niederlanden kommt. (Im Folgenden sind übrigens auch Fotografien von Andy, Milan, Theo und Thijs enthalten.)
Die Crew - Theo, Andy, Milan und Thijs |
Nachdem wir
uns und unser Gepäck gerade so in unser Mietauto gequetscht hatten, fuhren wir auf
dem Highway 1 mit Blick auf die vernebelte Küste gen Süden zum mir oft als
paradiesisch beschriebenen Küstenstreifen Big Sur. Kurz vor unserem Ziel
lichtete sich der Nebel und gab uns Anlass für eine erste Fotopause – eine von
vielen an diesem Wochenende.
Unser
Campingplatz war unglaublich schön – mitten im Wald gelegen, der nächste Platz
durch Bäume abgetrennt und dadurch sehr privat. Wir entschieden uns, nur
schnell unser Zeltlager aufzurichten, um dann schnell dem Sonnenuntergang
entgegenzufahren – jedoch kamen wir dafür zu spät am Pfeiffer Beach an.
Nichtsdestotrotz bot sich uns ein zauberhafter Blick auf den Ozean.
Spätestens
nach unserem ersten gemeinsamen Essen, einhergehend mit ein paar Bier und
anregenden Gesprächen, war die Atmosphäre vollends ungezwungen und entspannt.
Aufgrund des nichtvorhandenen Regenschutzes für mein Zelt – das ist der
Nachteil, wenn man bei CHAOS Equipment ausleiht – konnten wir mit Blick auf den
durch die Baumwipfel scheinenden Mond einschlafen.
Am Samstag
ging es dann nach einem gemütlichen Frühstück auf zu unserem ersten Wanderweg
im Andrew Molera State Park. Nachdem wir einen kleinen Bach überquert hatten,
kamen wir nach einer Weile an einem Strand an, von dem aus wir einen 14
Kilometer langen, 335 Meter ansteigenden Rundweg begannen.
Wir wussten immer genau, wo wir uns befinden |
Direkt an der Küste
verlaufend, mit andauerndem Blick auf die malerische Landschaft, stiegen wir bis
zu einem Aussichtspunkt hinauf. Dort entstand dieses herrliche Gruppenpanoramafoto,
leider ohne Thijs, auf dem man nach aufmerksamer Betrachtung den
Größenunterschied zwischen uns wahrnehmen kann.
Auf dem Weg
zurück legten wir ein Pause an einem Strand ein, zu dem man über ein paar
Baumstämme klettern musste. Bei fast hochsommerlichen Temperaturen konnte ich
zumindest im Pazifik stehen, zum Baden war mir das Wasser doch zu kalt.
Violetter Sand! |
Um den
Sonnenuntergang an diesem Abend nicht wieder zu verpassen, entschlossen wir
uns, zum Julia Pfeiffer Burns State Park zu fahren und mit Blick auf den von
Postkarten bekannten McWay Wasserfall den Sonnenuntergang zu genießen. Das
Wasser war an dieser Stelle der Küste tatsächlich außergewöhnlich Türkis und fügte
sich mit den Felsen zu einem äußerst pittoresken Gesamtbild.
Jedoch hatten
nicht nur wir diese Idee, dort bis zum Sonnenuntergang zu verweilen, und der
sehr leicht zugängliche Aussichtspunkt war alles andere als ruhig und
behaglich. Kurzentschlossen fuhren wir also zu einer der vielen Parkbuchten
entlang der Küste und suchten uns einen kleinen Felsen, von denen wir dann ganz
alleine die untergehende Sonne und die sich in den schillerndsten Rottönen färbenden
Wolken betrachten konnten. Mit einem kühlen Schluck Bier saßen wir also da, und
gerade als die Sonne am Horizont verschwunden war – ich konnte es nicht glauben
– tauchten Delfine aus dem Wasser und schwammen an uns vorbei, nur erkennbar an
aller paar Sekunden aus dem Ozean auftauchenden Rückenflossen. Was für ein
idyllischer Moment!
Nach einem weiteren Abend mit erfrischend kontroversen Diskussionen erklommen wir am etwas nebligeren Sonntag den Ewoldsen Weg im Julia Pfeiffer Burns State Park. In einem gänzlich anderen Umfeld als am Tag zuvor, wanderten wir diesmal 7 Kilometer durch einen Wald und überquerten dabei immer wieder einen Bach über Steine und Brücken.
Am Ende des Weges wurden wir für die Überwindung der 490 Meter Höhenanstieg mit einem unglaublichen Blick belohnt – obwohl wir das Rauschen des Ozeans hören konnten, sahen wir ihn nicht, da er von einer Wolkendecke, die unter uns lag, verdeckt wurde.
Von der Sonne bestrahlt legten
wir eine Pause ein, bevor wir uns wieder zurück in den deutlich kühleren Wald
machten. Schließlich fuhren wir noch ein letztes Mal in den Pfeiffer Big Sur
State Park, um uns dort die leichter zugänglichen und somit auffallend von mehr
Touristen angesteuerten Pfeiffer Falls und die sogenannte Valley View
anzusehen, bei der wir leider nichts als Nebel sehen konnten. Während wir
alleine über der Wolkendecke gewesen waren, wurden wir dort immer wieder
gebeten, nicht in Familienfotos zu stören. Und so ging unser wunderschöne,
angenehme Ausflug nach Big Sur auch schon wieder seinem Ende zu und wir machten
uns auf den Weg zurück nach Berkeley, nicht ohne Zwischenstop in einem Diner, um die Reise mit einem gemeinsamen Burger essen ausklingen zu lassen.
Am Montag habe ich bei der grandiosen Fotoaktion „ReDefine Mine“ einer Campusgruppe teilgenommen, bei der man ausdrücken konnte, wie man selbst von der Gesellschaft anders wahrgenommen werden möchte oder welche Gedanken einen in Bezug auf Geschlechterrollen, Feminismus oder Vergewaltigungen beschäftigen (leider ein großes Thema hier in Berkeley, gerade auf dem Campus und in den Fraternities sind das keine Einzelfälle).
Den Veteran’s
Day habe ich ganz ruhig in Berkeley verbracht und war endlich das erste Mal im
Kino – ein wunderschönes, wie aus alten Zeiten aussehendes Gebäude!
Und nun
freue mich auf all die schönen Tage, die schon geplant sind oder noch ungeplant
auf mich zukommen.
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